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Beschreibung undeutlich, Botschaft eindeutig

■ Das Friedensmuseum in Hiroshima bedenkt jetzt auch die Kriegsschuld Japans

Kaiser Akihito hätte das im vergangenen Jahr neu eingerichtete Friedensgedächtnismuseum von Hiroshima natürlich auch gestern besuchen können – während seines offiziellen Aufenthalts aus Anlaß des 50. Gedenktages des ersten Atombombenabwurfs am 6. August. Doch genau das vermied der Kaiser. Statt dessen ergab sich die Gelegenheit scheinbar zufällig im Mai, als Akihito eigentlich aus anderem Grund in die Stadt reiste. Sein Besuch erregte damals keine größere Aufmerksamkeit – dabei hätte er sie verdient gehabt.

Denn im Museum von Hiroshima bekam Akihito zu sehen, was ihm zuvor noch auf keiner seiner Reisen vor Gesicht gekommen war. Was dachte sich der kleine Mann wohl beim Anblick der Bilder und Erklärungen aus einer Kriegsvergangenheit, die das offizielle Japan – allen voran das Kaiserhaus – bis auf den heutigen Tag verschweigt? „Bitte setzen Sie ihre Bemühungen für den Frieden fort“, soll Akihito dem Museumsdirektor anvertraut haben. Wieder ließ der Kaiser alles offen. Das Museum tut es nicht mehr.

Früher hatten sich vor allem ausländische Besucher des Museums beschwert, daß dort zwar die schrecklichen Auswirkungen der Atombombe dargestellt würden, aber jede Erörterung der historischen Umstände von 1945 fehle. Zudem fanden Koreaner und Chinesen, die damals als Zwangsarbeiter in Hiroshima waren, im alten Museum kaum Erwähnung.

Das alles schien die städtischen Museumsverwalter nicht zu stören, bis vor einigen Jahren der ehemalige Chefredakteur der Chugoku Shinbun, Hiroshimas Monopolblatt mit einer Auflage von 800.000 Exemplaren, zum Bürgermeister gewählt wurde. Die Zeitung wurde zum Rückhalt für eine neue Museumspolitik, die die Stadt sechs Milliarden Yen kostete – kein Yen davon kam aus Tokio.

Tatsächlich wird bis heute in keinem Museum der Hauptstadt das Massaker von Nanking erwähnt, bei dem japanische Soldaten 1937 Hunderttausende chinesischer Zivilisten niedermetzelten. In Hiroshima befindet sich dagegen im ersten Museumstrakt eine unübersehbare Fototafel, auf der eine „Laternenparade der Bürger von Hiroshima nach dem Sieg über Nanking“ gezeigt wird. Darunter wird erklärt, daß „die japanische Armee zugleich Chinesen massakrierte, deren Zahl sich auf mehrere Zehntausende oder Hunderttausende belief“.

Mag auch bei dieser Beschreibung noch etwas Undeutlichkeit fortbestehen – die Botschaft ist eindeutig.

Ebenfalls zum ersten Mal wird die japanische Propaganda während des Krieges dargestellt. Von der „geistigen Mobilisierungskampagne“ des Tenno-Staats ist die Rede und von seinen Parolen, welche die Ausrottung des Feindes forderten. Man spricht ausführlich von „Tausenden koreanischen und chinesischen Zwangsarbeitern, die extrem harte Arbeitsbedingungen überlebten, nur um unter der Atombombe zu sterben“. Natürlich bedürften viele dieser Themen in Japan längst eigener Museen – und doch ist es ein Fortschritt, daß man das meistbesuchte Museum des Landes heute verläßt, ohne das Gefühl zu haben, es soll etwas unterschlagen werden.

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