: Beschäftigungsboom in West-Berlin
■ Hauptsächlich Pendler aus Ost-Berlin und dem Umland profitieren von dem gestiegenen Bedarf an Arbeitskräften/ Für Arbeitsmarktsituation der Westberliner keine direkten Auswirkungen spürbar
Berlin. Der Westteil Berlins kann sich über einen kräftigen konjunkturellen Schub freuen, den ihm die Einheit beschert hat. In seinem Monatsbericht für November teilte das Landesarbeitsamt mit, daß die Beschäftigungszahlen seit dem 1. Juli um fünf Prozent zugenommen hätten, während sie in den vergangenen Jahren bei durchschnittlich 1,7 Prozent lagen. Im Westteil Berlins gibt es rund 40.000 Beschäftigte mehr als vor einem Jahr. Damit ist Berlin im Vergleich zu den alten Bundesländern Spitzenreiter. Den stärksten Zuwachs gab es im Dienstleistungsbereich. Das hat sich jedoch nicht auf die Westberliner Arbeitslosigkeit ausgewirkt. Hauptsächlich profitierten von dieser Entwicklung Pendler aus Ost-Berlin und dem Umland.
Im November ist die Zahl der Arbeitlosen in West-Berlin auf 86.615 gestiegen, das entspricht einer Arbeitslosenquote von 9,0 Prozent. Im Oktober lag sie bei 8,9 Prozent und im Vorjahr bei 9,9 Prozent. Der leichte Anstieg ist nach Angaben des Landesarbeitsamtes saisonal durch den Rückgang im Baugewerbe bedingt. In Ost-Berlin erhöhte sich die Zahl der Arbeitslosen um rund 7.300, die Arbeitslosenquote stieg von 7,4 auf 8,4 Prozent. Zum ersten Mal ist die Zahl der Kurzarbeiter auf knapp 70.000 zurückgegangen. Der Bedarf an Arbeitskräften ging im Vergleich zum Vormonat mit nur 6.400 neugemeldeten Stellen deutlich zurück. Die Arbeitslosenquote für Frauen blieb im Vergleich zum Oktober bei 8,3 Prozent, während die für Männer auf 9,6 Prozent leicht anstieg. Aus- und Übersiedler stellten im November 14 Prozent Arbeitslose.
Nach einer in der 'Berliner Zeitung‘ veröffentlichten Repräsentativumfrage versucht jeder fünfte Ost- Berliner, im Westen eine Arbeit zu finden. Mehr als die Hälfte aller Befragten gaben an, diese Möglichkeit in Betracht gezogen zu haben. Nach der Umfrage sind mehr als ein Viertel aller Arbeitslosen in Ost-Berlin jünger als 25 Jahre, obwohl sie zum Großteil eine überdurchschnittlich gute Qualifikation vorweisen können. Weniger als ein Viertel sind älter als 45 Jahre. Auf Dauer sei mit einer Abwanderung von qualifizierten Arbeitskräften aus dem Ostteil der Stadt zu rechnen.
Das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) geht davon aus, daß sich trotz der derzeit hohen Arbeitslosigkeit der Integrationsprozeß der neuen Bundesländer günstig auswirken wird. Der Nachholebedarf an Investitionen und Konsum wird eine steigende Nachfrage an Arbeitskräften bei den Unternehmen nach sich ziehen. Längerfristig wird es nach der Einschätzung des DIW sogar zu einer Verknappung von Arbeitskräften kommen, die zum einen demographisch und zum anderen durch den Nachholebedarf an höherer Ausbildung und Weiterbildung bedingt ist. dpa
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