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Bert Schulz blickt auf die Herkunft der BerlinerIhr Völker der Welt, schaut auf Gesundbrunnen

Es ist schon seltsam, warum die Menschen so ein Aufheben um die Herkunft anderer Menschen machen – erst recht in einer Stadt wie Berlin. Wer frisch hierher zieht, etwa als Studierender oder als Knecht in einem Start-up, dürfte Mühe haben, in den ersten Monaten, manchmal sogar Jahren über einen „echten“ Berliner oder eine „echte“ Berlinerin zu stolpern. Und sollte diese seltene Konstellation eintreffen, ergibt sich daraus nicht selten eine Debatte, was bitte eine Berlinerin eigentlich ist. Auf den wahrscheinlichen Kalauer über Pfannkuchen, die andernorts Berliner genannt werden, folgt oft ein Schulterzucken.

Schließlich war Berlin seit der Industrialisierung ab Mitte des 19. Jahrhunderts eine Stadt, die in Massen, letztlich in Millionen, Menschen angezogen hat; seit Mitte des 20. Jahrhunderts verstärkt auch aus dem Ausland. Und so beträgt der Anteil von Menschen mit Migra­tionshintergrund – mindestens ein Elternteil stammt nicht aus Deutschland – 33,4 Prozent. Das geht aus Zahlen des Amts für Statistik Berlin-Brandenburg hervor, die die dpa veröffentlicht hat. Jeder dritte der gut 3,7 Millionen Berliner hat also auch nichtdeutsche Wurzeln.

Am Stadtrand Deutsch

Besonders interessant daran ist die regionale Verteilung, die sich auch fast 30 Jahre nach dem Fall der Mauer nur dezent verschiebt. In bestimmten Stadtteilen der Bezirke Mitte, Neukölln und Friedrichshain-Kreuzberg leben 50 bis mehr als 60 Prozent Menschen mit Migrationshintergrund. Den höchsten Anteil von Menschen mit Migrationshintergrund gibt es in Gesundbrunnen im Bezirk Mitte. Von den rund 94.000 Einwohnern gehören knapp 60.000 (63,4 Prozent) zu dieser Gruppe. In Tiergarten-Süd sind es knapp 61 Prozent. Neukölln im Norden des gleichnamigen Bezirks kommt auf 55 Prozent, Wedding und Kreuzberg auf 53 Prozent, Reinickendorf und Siemensstadt immerhin auf 45 Prozent. Betrachtet man nur die Kinder und Jugendlichen, sind die Anteile sogar noch höher und reichen bis zu mehr als 80 Prozent.

In den östlichen Bezirken sind die Anteile von Menschen mit Migrationshintergrund dagegen generell viel geringer. Und in einigen eher dörflichen Ecken, etwa am Stadtrand, leben fast gar keine Zuwanderer. In Malchow im Nordosten beträgt der Migrationsanteil nur 3,6 Prozent. Ähnliches gilt für Blankenburg (6,9 Prozent) oder Müggelheim (7,1 Prozent).

Diese Verteilung erklärt, warum es so schwer ist, echte Berlinerinnen zu treffen: Zuzügler ziehen ja eher in die Stadt und nicht die Provinz Berlins. In der Mitte häufen sich also die Neuen.

Stellt sich letztlich die Frage, ob es überhaupt noch echte Berliner gibt. Aber klar doch, weiß das Statistikamt. Allerdings sind sie in der Minderheit: Nur noch knapp 47 Prozent – etwa 1.700.000 – der in der Berlin gemeldeten Menschen sind auch dort geboren worden.

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