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Bernhard PötterWir retten die WeltDie Revolution beginnt mit dem Fahrverboot

Am Useriner See kennen sie sich aus mit der Revolution. An der alten Schleuse üben drei Männer den ehrenwerten und derzeit leider in Verruf geratenen Beruf des Schleusers aus. Am Pfahl daneben steht es schwarz auf weiß: „Useriner See für verbrennungsmotorgetriebene Boote gesperrt.“

Hier in MeckPomm, zwischen Nichtstun und Garnichtstun, gleich bei Angela Merkels Heimathafen Templin, ist ganz einfach, was im Rest von Deutschland zu Magenkrämpfen führt. Ein Ende des Verbrennungsmotors? In Stuttgart brauchen sie dafür eine Sprungrevision zum Bundesverwaltungsgericht. Am Useriner See reicht ein Schild.

Quer durch dieses Paradies der Revolution schlugen wir uns am Ende des Sommers Paddelschlag um Paddelschlag. Es ging über die Havel durch den Nationalpark Müritz, über Seen, auf denen nur Vögel und Kinder schrien. Kaum waren wir aus der Verbotszone raus, brummten dicke Pötte an uns vorbei, auf denen Jugendliche in Schwimmwesten gelangweilt in der Nase bohrten. In den Schleusen herrschte ein ruppiger Ton, aus den Partyflößen schallten die Backstreet Boys über die einsamsten Buchten der Seenlandschaft.

Motorboote sind überflüssig. Man könnte Polizei, Feuerwehr, Ausflugsdampfer und Arbeitsschiffe mit Motoren ausrüsten, ansonsten Verbrenner auf dem Wasser verbieten. Ausnahmen für Rentner mit Elektrobooten, meinetwegen, aber millionenschwere Bußgelder für die Typen, die einen ruhigen See eine halbe Stunde lang mit lautem „Mööööööööööhh!“ aus ihrem Zweitakter beschallen, weil sie auf dem Natur-Campingplatz die Sprühsahne zum Pflaumenkuchen vergessen haben.

RUHE würde sich über Deutschland ausbreiten. Und unser verbrennungsmotorgetriebenes Land würde ahnen, wie es sich anfühlt, wenn wir die Klimaziele im Verkehr erreichen wollen: Paddeln und Raddeln. Die Revolution beginnt mit dem Fahrverboot.

Kurz vor Rheinsberg unterbrach unser Jüngster seinen Galeerendienst und zeigte nach links: „Guck mal, schickes Boot!“ Ein schnittiges Holzboot zog vorbei, der grauhaarige Freak grüßte – am Heck die Flagge von Kuba, am Bug der Name: „Granma“. Wie der Kahn, mit dem Fidel Castro und Che Guevara 1956 zur Revolution aufbrachen. Mit aufheulendem Motor verschwand der Kubaner. Einen See weiter schleppte die „Granma“ ein Werbefloß der Linkspartei übers Wasser. Erstmal nix mit Revolution auf der Havel. Nur Wahlkampf.

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