piwik no script img

Bernhard Pötter Wir retten die WeltSchäuble und der Bio-Bolschewismus

Letztes Jahr war ich auf einer Journalistentour im Münsterland. In einer Recyclinganlage erklärte der Chef, all die Plastikverpackungen ließen sich ganz gut wiederverwenden. Nur eines ginge gar nicht: schwarzes Plastik. Das schwarze Schaf der Wegwerfgesellschaft. Später kamen wir in einen Supermarkt, der ökomäßig eigentlich total richtig lag. Als ich mich ein bisschen umsah, stieß ich auf: schwarze Shampooflaschen. Und der Ökodiktator in mir dachte: „Das könnte man ja nun wirklich mal verbieten.“

Ich bin sicher: Wolfgang Schäuble war im gleichen Supermarkt. Oder er hat diese kleine Kolumne gelesen, als es mal um Verbote ging. Jedenfalls hat der große alte Mann der CDU beim „Werkstattgespräch“ seiner Partei von Verbieten geschwärmt wie ein Bio-Bolschewist: „Freiheit braucht Grenzen“, „der Markt braucht klare Regeln“, „beschlossene Maßnahmen müssen wir umsetzen“, aber vor allem: „Wir werden nicht drum herumkommen, den Wahnsinn zu verbieten.“

Erst dachte ich, Schäuble wolle den Psychiatern das Leben schwer machen. Aber er sprach vom Plastikmüll und anderen Umwelt-Schweinereien. Da war mir klar: Der zweithöchste Repräsentant des Staates und diese kleine Text­serie wollen das gleiche. Zwischen Öko-Wolle und mich passt kein Blatt Recyclingpapier.

Den Wahnsinn verbieten: Es könnte so einfach sein. Noch 19 Jahre Kohle verbrennen? Untersagen! Häuser bauen, die mit Öl oder Gas heizen? Keine Chance! SUVs, die Sprit saufen wie ein startender Jumbojet? Schluss damit! Inlandsflüge? No, Sir! Quälfleisch? Zack und weg und veg!

Die Liste ist so lang, dass der Präsident des Deutschen Bundestags und ich ein „Den-Wahnsinn-verbieten-Gesetz“ einbringen sollten. In der ersten Runde nur zum Öko-Irrsinn: Plastiktüten, Umverpackungen, freie Parkplätze in der Stadt, Massenmastanlagen, neue Autobahnen, eingeschossige Gewerbegebiete, Verbrennungsmotoren, Plastik-Kosmetik, überflüssige Plüschtiere in XXL, Duftkerzen mit Feinstaub-Belastung, das Ausbaggern der Flüsse für nicht existierenden Schiffsverkehr, 90 Prozent aller neuen chemischen Stoffe und, und, und. Kinder, es gibt so viel zu tun, wenn man den Kampf gegen den Wahnsinn erst einmal aufgenommen hat: Jedes Jahr 50 Milliarden Steuergeld für Ökosünden ausgeben? Gifteinsatz in Naturschutzgebieten? Pendlerpauschale? Weg damit!

Schäuble meint es ernst, kein Zweifel. Er steht in der ruhmreichen Reihe von Unions­politikern, die betagt oder weit weg von zu Hause klug und radikal wurden: Biedenkopf, Geißler, Töpfer, Blüm. Und er sagt zum Thema CDU und Umweltfrevel: „Bei den meisten Dummheiten der Union in den letzten 40 Jahren war ich immer dabei.“ Ehrlicher kann eine christdemokratische Ökobilanz nicht sein.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen