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Bernhard Pötter Wir retten die WeltDer schmale Gratzwischen Wahn und Sinn

Fünf Tage in Paris, und an jeder Straßenecke zucke ich zusammen: Gelbwesten! Überall Gelbwesten! Das sind zwar alles nur harmlose Radfahrer, die die Warnfarben als Selbstverteidigung gegen den Irrsinn des Autoverkehrs tragen. Aber als ich über sie schreibe, beginnen meine Finger ein Eigenleben. Sie schrei­ben immer Geldwesten. Einfach so, immer wieder. Geldwesten in Wahnfarben.

Gibt es freudsche Verschreiber, liebe KollegInnen aus der taz-Korrekturabteilung? Bei mir auf jeden Fall. Also Geldwesten, weil sie für bessere Bezahlung streiken? Sollten sie sich nicht besser um die Gelbwespen sorgen, die ihre pommes bestäuben, also nicht die Pommes? Die Insekten wären sicher nicht bedroht, wären sie Geldwespen. Denen geht es im Osten ja noch ganz gut. Aber nicht im Geldwesten.

Das Unterbewusste hört und schreibt immer mit, da bin ich sicher. Während der Anfänge des Dieselskandals habe ich im Radio und Fernsehen wirklich immer wieder „Au weh!“ gehört, wenn vom größten deutschen Autobauer die Rede war. Und letztens wieder: Wegen Giftspritzerei wurde in den USA der „Au weia“-Konzern verurteilt, weil die Glyphosaat teuflisch gut aufgeht.

Das funktioniert auch bei Ländern: Adenauer hatte Stress mit den Zoffjets, die EU hadert mit Viktor Orbáns auto(!)ritärem Ungern, der Bulgare kostet Bulgur, für die Fahrt nach Nordamerika brauchen wir ein Vusa. Und trifft es Audi-Arabien nicht viel besser für ein Land, in dem die Scheichs gern mal die Saudi rauslassen?

Als alter weißer Mann erinnere ich mich noch gut an die Deutsche Demokratsche Replik, die meine Heimatstadt in Rest-Berlin und Rost-Berlin teilte, wie es der begnadete Zeichner Gerhard Seyfried („Sei fried..lich?“) auf eine Deutschlandkarte malte. Im Musical „Linie 1“ hießen die Bezirke Stempelhof und Morbid und die taz musste sich vorsehen, in den USA nicht mit der TASS, der Nachrichtenagentur der Zoffjets, verwechselt zu werden. Das hätte den Demoncrats nicht gefallen. In deren Land gelten wir Ökos ja ohnehin als mental nicht zurechnungsfähig, als environ-mental. Da loben wir uns die heimischen Spezialdemokraten und die Konversativen, die viel reden, aber eher für die Unwelt als für die Umwelt handeln. Nicht zu vergessen den Gelbadel der PDF, äh, FDP.

„Das Unterbewusste hört und schreibt immer mit, da bin ich sicher“

Gut, das wird jetzt alles ein bisschen irre. Aber das ist doch unsere tägliche Erfahrung, wenn wir versuchen, mit dieser Klolumne die Welt zu retten: Der Grat zwischen Wahn und Sinn ist extrem schmal. Beim Klima sind es sogar nur 1,5 Grad. Man(n) sieht: Manchmal macht ein einziger Buchstabe den Unterschied. Ein „m“ zu Beispiel. Genau so viel trennt den Umweltschutz vom Umweltschmutz. Da muss man schon sehr vorsichtig sein bei der Funktion „Autokorrektur“ im Computer – auch wenn die im Straßenverkehr natürlich dauernd angesagt wäre. Echten Fortschrott gibt es erst, wenn die Umweltbewegung es tatsächlich schafft, die Welt grundlegend zu verändern: Als Umwälzbewegung.

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