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Bernhard Pötter Wir retten die WeltEin Fliegenschiss von fünf Millionen

Früher hieß Insektenschutz: Autan auf die Haut, um die Mücken abzuwehren. Heute heißt Insektenschutz, dass die Bundesregierung 5 Millionen Euro ausgibt, um ebendiesen Mücken das Überleben zu sichern. So jedenfalls steht es im „Aktionsprogramm Insektenschutz“, das Umweltministerin Svenja Schulze (SPD) am Mittwoch durchs Kabinett gebracht hat. Sie will damit die Lebensräume der Insekten schützen und wiederherstellen, Schutzgebiete stärken, Gift und Gülle reduzieren und die Lichtfallen der Dauerbeleuchtung bekämpfen.

Natürlich ist es erst einmal sehr schön, dass was passiert. UmweltschützerInnen sind schon ganz aus dem Vogelhäuschen. Beim Sommerfest der BUND gab es selbstgehäkelte Bienen zum Umhängen und Begeisterung. Auch die Grünen haben geholfen: Mit einem Bienchen-Wahlkampf und der Borkenkäfer-Strategie: jahrelang dicke Bretter bohren.

Aber jetzt mal im Ernst. Wie viel Natur ist für 5 Millionen Euro zu renaturieren? Zwei Flussschleifen? Jedes Jahr zahlt die EU 4,8 Milliarden Euro an die industrielle Landwirtschaft in Deutschland – das Tausendfüßlerfache des Aktionsprogramms. Mit diesem Steuergeld werden Gifte gespritzt, Hecken gerodet, Gewässer überdüngt. Deutschland hat bisher giftige Neonicotinoide im Freiland verboten, in Gewächshäusern sind sie noch legal. Die Glyphosaat des Schreckens geht auch noch bis 2022 auf. Und bei der aktuellen Reform der EU-Agrarpolitik drängt Berlin keineswegs auf mehr Grün und weniger Gift.

In den letzten 30 Jahren hat die Menge der Insekten um etwa 75 Prozent abgenommen. Drei Viertel der Lebensgrundlage unseres Ökosystems sind verschwunden. Man stelle sich vor, die deutsche Autoproduktion bräche um 75 Prozent ein. Unser Export ginge um 75 Prozent zurück. Drei von vier Arbeitsplätzen und damit Steuerzahlern fielen weg. Würde die Regierung ein Programm auflegen, das etwa 0,001 Prozent des Bundeshaushalts ausmacht?

Wir denken da alle viel zu wenig radikal. Es geht ans Eingemachte, und wir begnügen uns mit Trostpflastern. Was beim Klima und beim Artenschutz passiert, ist ein Wirbelsturm, dem wir mit einem Spielzeug-Regenschirm gegenübertreten. Sicher, irgendwo muss man an­fangen. Besser die Wildbiene in der Hand als das Wespennest unterm Dach. Aber ein bisschen Aktionsprogramm Insekten darf nicht über das breit angelegte Nichtaktionsprogramm Umwelt und Landwirtschaft hinwegtäuschen, das uns die neue Regierung vorlegt. Da sind die 5 Millionen Euro ein – genau – Fliegenschiss.

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