■ Bernd Rabehls heimatkundliche Lektion: Dutschke in Luckenwalde
Ist es sinnvoll, Straßen, Schulen usw. nach den Rebellen deutscher Vergangenheit zu benennen? Niemand wird sich großartig Gedanken machen, ob er in einer Mühsam-, Dutschke- oder Kaiser-Wilhelm- Straße eine Adresse sucht. Trotzdem sind Namensgebungen in Deutschland immer auch Symbol für Machtgebung und manchmal auch für Tradition. Im Streit um Benennungen enthüllt sich der ganze Mief deutscher Zuständigkeit.
Verwandte und Freunde Rudi Dutschkes hatten den Vorschlag gemacht, das Gymnasium in Luckenwalde nach ihm zu benennen. Hier war Dutschke zwischen 1954 und 1958 zur Schule gegangen, und hier hatte er seinen ersten „Aufstand“ geprobt. Auf einem schulinternen „Jugendforum“ sprach er sich gegen den „Ehrendienst“ in der NVA aus. Sein Auftritt hatte entsprechende Folgen. Er wurde nicht zum Studium zugelassen, hatte sich nach dem Abitur in der Produktion zu „bewähren“. Zwei Jahre später ging er nach West-Berlin.
Nun wollen der heutige Direktor, Lehrerschaft und Elternbeirat suggerieren, daß Besserwessis Tradition und Namen der Schule okkupieren wollen. Dutschke sei doch primär ein Phänomen der Studentenrevolte in Westdeutschland. Hier irren die braven Bürger. In der DDR kam das Unbehagen der Jugend lediglich deshalb nicht zum Ausbruch, weil die Kritiker entweder in den Westen abgeschoben oder gebrochen wurden. Im Westen hingegen reichte die innere Formierung nicht aus, um die Revolte mundtot zu machen.
Dutschke zu ehren würde in Luckenwalde auch heißen, sich des eigenen Opportunismus zu erinnern. Die DDR-Gesellschaft funktionierte doch nur, weil die Mehrheit der Bevölkerung sich „eingerichtet“ hatte. Nur abends nach dem „Sandmännchen“, wenn die Kinder schliefen, ließen sie die Seele baumeln und amüsierten sich an der Westglotze.
Hier hat der Herr Direktor vorgesorgt. Er will eine Ehrentafel aller Schüler aufstellen, die später zu Rang und Namen gekommen sind. Hier will er Dutschke einreihen. Einen „Alibijuden“ hat er auch schon gefunden. Über die anderen Namen schweigt er sich aus – mit Recht. Ist doch zu befürchten, daß hier viele auftauchen würden, die sich in der NSDAP und deren Organisationen Verdienste erworben haben – die Opportunisten der zwanziger und dreißiger Jahre.
Bei der deutschen Einheit ist tatsächlich zusammengekommen, was zusammengehört: der deutsch- deutsche Opportunismus. Im Westen umsorgen die Mitmacher ihre Privilegien und Interessen. Aus dem Osten gesellen sich die Opportunisten dazu. Nur an nichts erinnern, gefolgsam und ordentlich sein, mit den Wölfen heulen, bleibt die Devise. Soll sich die Schule ihre Ehrentafel der Gefolgsleute der Diktaturen aufstellen. Dutschke wird nicht dabei sein.
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