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Archiv-Artikel

Berlusconi führt das Verhältniswahlrecht wieder ein Faules Ei für Romano Prodi

Vier Jahre Berlusconi – das waren vier Jahre Gesetze, zugeschnitten auf die Bedürfnisse des Premiers. Erlaubt ist, was mir gefällt: Nach diesem Muster wurden Justiz und Medienrecht so hingebogen, dass Berlusconis Prozessprobleme immer kleiner wurden, sein Medienimperium immer größer wurde.

Auch in der Schlussrunde behält der Regierungschef dieses Prinzip bei und lässt sich ein neues Wahlrecht verabschieden. Weg vom Mehrheitswahlrecht, hin zum Proporz ist die Maxime. Um korrektere Abbildung des Wählerwillens gehe es und zugleich um die Steigerung der Effizienz des Systems, heißt es hochtönend aus dem Regierungslager. Da gäbe es in der Tat einiges zu tun: Das bisherige Wahlrecht ließ einer Fülle von Kleinstparteien Raum im Parlament, auf die jedes der beiden Lager angewiesen war, um die Mehrheit in den Wahlkreisen zu gewinnen – womit die Bonsaiparteien eine enorme Erpressungskraft gewannen.

Eben daran aber ändert das neue Wahlrecht nichts. Es sorgt bloß dafür, dass die erwartete Niederlage des Berlusconi-Blocks milder ausfallen wird als nach dem bisherigen Mehrheitswahlrecht. Und dafür, dass der vermutliche Sieger Romano Prodi mit einer schmaleren Mehrheit wird regieren müssen als erwartet – und, wie gehabt, mit Kleinstparteien als Partner, die täglich Ärger machen können. Denn die Proporz-Sperrklausel von zwei Prozent wird an der aktuellen Zersplitterung nichts ändern. Statt größerer Stabilität bewirkt das neue Gesetz so eher mehr Instabilität. Hätte Prodi – nach dem bisherigen Wahlrecht – eine satte Mehrheit errungen, hätte er seine Koalitionspartner in die Schranken weisen können. Stattdessen wird er sich mit Parteichefs rumschlagen müssen, deren Selbstbewusstsein sich umgekehrt proportional zu ihrem Wahlresultat verhält. Für Berlusconi kein Problem: Vor seinem wahrscheinlichen Abgang hat er dem Nachfolger noch schnell ein faules Ei ins Nest gelegt. Fortsetzung folgt in der nächsten Legislatur: Da wird die Rechte sich dann von den Oppositionsbänken lautstark darüber mokieren, wie ineffizient die Linke regiert. MICHAEL BRAUN