Berlinmusik: Das Harte und das Kalte
Hier könnte es womöglich zu Verwechslungen kommen. Der Produzent Ed Flis, der als Duran Duran Duran für musikalische Schöpfungen verantwortlich zeichnet, die dem Wortstamm durus (hart) durchaus gerecht werden, hat wohl nicht zufällig einen Namen gewählt, der stark an eine britische Pop-Band der achtziger Jahre erinnert. Und wenn man beim Zählen nicht aufpasst, hat man unversehens den Berliner Produzenten zur flügellahmen New-Romantic-Truppe erklärt.
Diese spielentscheidenden zusätzlichen 50 Prozent Duran, die es praktisch gratis obendrauf gibt, hat Ed Flis jetzt in schön autoreferentieller Manier zum Thema seines neuen Albums gemacht. Das heißt „Duran“, damit keine Fragen offen bleiben. Und die bleiben es ebenso wenig bei der Musik. Denn langweilig geht es bei ihm garantiert nicht zu. Acid, Gabba und sonstige Zutaten des ruppigeren Techno werden von ihm genüsslich im Mixer zerrieben, wo sie zu schwer verdaulichen Clubungetümen verarbeitet werden.
Was bei anderen Techno-Vasallen heute gern als bierernste (oder wohl eher ketaminernste) Angelegenheit daherkommt, lässt in Ed Flis’ Fall kaum Zweifel daran zu, dass ihm seine Hochtempo-Rumpeleien große Freude bereiten, und die möchte er mit seinem Publikum teilen. Ausrasten ist erlaubt und auch angeraten. Ob zu Titeln wie „Dark Acid“, „Sexus“ oder „Drug Life“ – man kann sich aber ebenso in nüchternem Zustand bestens von Duran Duran Durans Beatgetrappel anregen lassen. Und die Sache ist weit intelligenter und komplexer, als es auf den ersten Überwältigungseindruck scheinen mag.
Runterkommen kann man dann prima mit Belief Defect, einem bisher anonymen Duo, das mit seinem brodelnden Bass und träge knirschenden Beat ziemlich gut in die Geschichte von Raster passt, dem inzwischen von Olaf Bender im Alleingang betriebenen Label für Techno der offeneren Art und kühle Frequenzgestaltung, vormals Raster-Noton, seinerseits hervorgegangen aus der Fusion von Rastermusic und Noton.
„Decadent Yet Depraved“ gibt als Titel die Stimmung vor, optimistisch klingt anders. Ein bisschen Wehmut nach Abhandengekommenem, zugleich wahrt man Haltung und Form und begegnet stilvoll kalten Zeiten mit kalten Klängen. Ohne große Überraschungen, aber konsequent – und mit ruhiger Hand. Da sitzt jedes Klappern.
Tim Caspar Boehme
Duran Duran Duran: „Duran“ (Power Vacuum)
Belief Defect: „Decadent Yet Depraved“ (Raster), live 18. 8., Kraftwerk (Berlin Atonal)
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