piwik no script img

BerlinmusikIns All, in den Raum

Der Weltraum ist nicht nur etwas für Astronauten, Physiker und Science-Fiction-Spezialisten. Auf Musiker üben die unendlichen Weiten des Alls eine mindestens ebenso große Faszination aus. Sun Ras afrofuturistische Heilsvision „Space Is the Place“ war gerade erst im Kino zu sehen – mit der zugehörigen Musik auf der Bühne. Doch die ist schon ein paar Jahrzehnte alt.

Ganz im Sinne des großen Avantgardisten hat sich jetzt auch der Berliner Saxofonist Philipp Gropper auf eine Reise durch die Galaxien begeben. Mit seiner Band Philm steigt er ins „Sun Ship“ und erkundet, was ihm unbekannterweise begegnet. Diese mutmaßlichen Quatschfloskeln sind dabei bewusst gewählt, denn „Sun Ship“ ist ein musikalischer Aufbruch ins Unbekannte.

Gropper geht die Sache mit seinen drei Mitstreitern offen an, lässt den Bassisten Andreas Lang und Oliver Steidle am Schlagzeug so lange repetitive Muster spielen, bis sich eine neue Konfiguration in der Ferne abzeichnet. Unterdessen leistet Elias Stemeseder an Klavier und Synthesizer die erforderliche Grundlagenforschung in Sachen Klang, bringt an seinen Instrumenten immer neue Obertonschattierungen hervor, mit denen dieses Sonnenschiff seine Expedition erfolgreich meistert.

Die Platte bleibt dabei auch erstaunlich offen, was die Hörer angeht. Eine Mutprobe in Sachen Atonalität ist „Sun Ship“ eher nicht, ohne dadurch in irgendeiner Form vertraut oder erwartbar zu klingen. Die Musik stellt einfach keine allzu großen Hürden auf, um Neugier zu wecken. So selbstverständlich und locker im Gestus, zugleich hochkonzentriert, wie das Quartett vorgeht, ist das ein echt großer Wurf – sehr weit draußen.

Nach draußen, wenn auch ohne Raumfahrtprogramm, begibt sich das Serenus Zeitblom Oktett mit seinem schlicht „Erster Teil – Zweiter Teil – Dritter Teil“ betitelten Debütalbum. Das Berliner Kollektiv, in dem neben dem Bassisten und Komponisten Andreas Dzialocha unter anderem die Vibraphonistin Els Vandeweyer und der Gitarrist Karten Lipp mitmachen, geht ähnlich frei an seine Klänge und Strukturen heran wie Philm, lässt aber zusätzlich noch die Grenzen der Instrumente untereinander verschwimmen dank der elektronischen, teils verfremdenden Klanggestaltung von Matthias Erb. Fast psychedelisch, wie die Beteiligten sich durch den Raum tasten. Tim Caspar Boehme

Philipp Gropper's Philm: „Sun Ship“ (WhyPlayJazz)

Serenus Zeitblom Oktett: „Erster Teil – Zweiter Teil – Dritter Teil“ (Hyperdelia)

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen