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BerlinmusikÖkologisch, reformiert

Was genau Religion heute ist, darüber gehen die Ansichten auseinander. Für manche ist es nur noch eine Schrumpfgröße oder eine Hülle, die für andere Zwecke missbraucht wird – was früher aber auch schon gern geübte Religionspraxis war. Kulte, die sich als Ersatzreligion anbieten, gibt es derzeit ebenfalls reichlich. Essen zum Beispiel.

Warum also nicht einen Gospel über das Essen machen? Der Berliner Schlagzeuger Max Andrzejewski hat sich mit seinem Projekt Hütte & Chor darangemacht. Sein Quartett Hütte mit dem Saxofonisten Johannes Schleiermacher, dem Gitarristen Tobias Hoffmann und dem Bassisten Andreas Lang trifft dabei auf einen 13-köpfigen gemischten Chor.

Die Sänger singen über das Objekt ihrer Begierde, nein, religiösen Ehrfurcht: Butter, Zucker, Salz. Und das im Gospel-Stil, während die Musiker sich mehr oder minder den Harmonien des Chors anpassen, manchmal dafür umso kräftigere dissonante gegensteuern.

Eine ironische Sache, doch nur zur Hälfte. Essen müssen schließlich alle. Man könnte es eine Reflexion über unser heutiges Selbstverhältnis zu Lebensmitteln und den Umgang mit ihnen nennen. Das klingt dann allerdings um einiges spröder als die Musik, die mit Geistesblitzen kräftig um sich wirft.

Für Speisen und ihren Genuss hatte auch der in diesem Jahr gefeierte Kirchenmann Martin Luther etwas übrig, ohne eine Ersatzreligion daraus zu machen. Wer sich, und sei es nur aus geschichtlichem Interesse, ein wenig mit den musikalischen Nachwirkungen der Reformation beschäftigen möchte, bekommt im Luther-Jahr vom RIAS Kammerchor und dem auf Alte Musik spezialisierten Ensemble Capella de la Torre jetzt einen Einblick, wie das „Echo der Reformation“ in Renaissance- und Barockmusik geklungen hat.

Heinrich Schütz, Orlando di Lasso oder Michael Praetorius sind mit Vokal- wie Instrumentalwerken vertreten, die streng gesetzt sind – es herrschte der Kontrapunkt –, aber dadurch keinesfalls weniger reizvoll. Neben weniger bekannten Namen bekommt man einen echten Luther zu entdecken: Das von ihm verdeutschte Kirchenlied „Verleih uns Frieden gnädiglich“ ist einstimmig und schlicht, fast schüchtern neben den festlicheren Chor- und Orchestersätzen der Kollegen. Tim Caspar Boehme

Max Andrzejewski´s Hütte & Chor: „Max Andrzejewski´s Hütte and The Homegrown Organic Gospel Choir“ (WhyPlayJazz/NRW), Release-Konzert 6.5., Emmaus Kirche

RIAS Kammerchor & Capella de la Torre: „Da Pacem – Echo der Reformation“ (DHM/Sony)

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