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BerlinmusikMäandern in Moll

Was macht eigentlich der Alternative Rock heute so? Wie geht es ihm? Der Genrebegriff ist ja kaum noch gebräuchlich, weil sich alles ausdifferenziert hat. Und die große Zeit der prototypischen Bands wie den Smashing Pumpkins, Placebo oder Suede liegt auch schon ein Weilchen zurück. Hierzulande gab es wenige Gruppen, die in genau diese Kerbe schlugen und in dieser Liga auch anschlussfähig waren. Blackmail aus Koblenz zählten auf jeden Fall dazu.

Charakteristisch war bei dieser Band vor allem der Gesang Aydo Abays. Bis 2008 war er Frontmann von Blackmail, dann ging man getrennte Wege. Zwischenzeitlich rief Abay Projekte wie KEN und Crash:Conspiracy ins Leben, seit einer Weile hat der heute in Berlin und Köln lebende Sänger eine neue Band. Sie heißt wie er: ABAY. Gegründet hat er sie gemeinsam mit dem Juli-Gitarristen Jonas Pfetzing, und es ist nicht, wie man denken könnte, ein von Managern ins Leben gerufene Projekt zweier Branchengrößen, sondern man traf sich an einem Späti in Berlin und lernte sich kennen. Vor mehr als vier Jahren war das, nun erscheint das aus dieser Kollaboration entstandene Debütalbum: „Everything’s Amazing And Nobody Is Happy“.

Das Projekt referiert eindeutig auf die große Zeit des Alternative Rock, der Titeltrack erinnert etwa an R.E.M., Abay schreibt Songzeilen von Nirva­na um („Teenage Angst hasn’t paid off well“), bedient sich aber auch bei den Smiths („The Queen Is Dead“). Sein Gesang erinnert immer etwas an Brian Molko von Placebo. Die zwischen schönen Pianopassagen, Gitarrenbombast, Orchestralem und Choralem changierenden Stücke sind auch gut und sauber komponiert und produziert – schon passabler Indie-Rock.

Aber das Album klingt eben auch ganz schön retro, Abay und Pfetzing gelingt es kaum, dem Stil eine neue und kontemporäre Note zu geben. Vielleicht zeigt sich mit einem solchen Album ja auch ein Problem, das die Großen des Genres seit jeher hatten: Die Musik klingt zwar dick und fett aufgetragen, aber häufig mäandern die Stücke in Mid-tempo und Moll so vor sich hin – genauso verhält es sich mit „Everything’s Amazing And Nobody Is Happy“ am Ende auch.

Es war dann vielleicht doch gut, dass das Etikett „Alternative Rock“ sich irgendwann selbst erübrigt hatte, weil die gitarrenbasierte Independent-Musik zu vielfältig war, um sie unter nur einem Begriff zu subsumieren. Jens Uthoff

ABAY – „Everything's Amazing And Nobody Is Happy“ (Unter Schafen/Alive!)

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