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Berliner Zeitung und die StasiDer Feind im eigenen Blatt

Aufklärung von allen Seiten: Wie die "Berliner Zeitung" mit der Affäre um frühere Stasi-Mitarbeiter umgehen will.

Tauchen weitere Namen von Mitarbeitern der Berliner Zeitung in diesen Akten auf? Bild: dpa

Zwei Stunden dauerte die Diskussion der Redakteure der Berliner Zeitung am Dienstagnachmittag. Und die große Mehrheit - 85 von 89 anwesenden - beschloss

schließlich in einer anonymen Abstimmung, Antrag auf Akteneinsicht bei der Birthler-Behörde zu stellen. Zuvor war bekannt geworden, dass zwei leitende Redaktionsmitglieder Inoffizielle Mitarbeiter der Stasi gewesen waren - die Redaktion muss sich nun mit der Vergangenheit der Zeitung als SED-Organ auseinandersetzen.

Einige Mitarbeiter wehrten sich dagegen, dass ein Generalverdacht gegen alle älteren Mitarbeiter aus dem Osten Deutschlands erhoben wird. Andere kritisierten, es sei rechtsstaatlich nicht tragbar, dass sie nun ihre Unschuld beweisen müssten. Mit Bauchschmerzen, wie ein Redakteur sagt, habe man sich aber nun dazu durchgerungen, dass die Redaktionsmitglieder selbst Akteneinsicht beantragen. Thomas Rogalla, der Sprecher des Redaktionsausschusses, schrieb in der Mittwochsausgabe der Berliner Zeitung, die Auseinandersetzung gehöre "nicht nur in die Verantwortung der Chefredaktion und des Verlages".

Chefredakteur Josef Depenbrock hatte am Montagabend eine Studie in Auftrag gegeben - an deren Durchführbarkeit in der Redaktion Zweifel bestehen: "Ein neuer Forschungsantrag, mit dem die Einflussnahme der Stasi auf die Zeitung vertiefend untersucht wird, stieß auf rechtliche Bedenken", schrieb Rogalla.

Johannes Weberling, Historiker und Jurist, der die Studie koordinieren soll, sagte, die Studie solle "kein Instrument sein, das genutzt wird, um ohnehin nicht mögliche arbeitsrechtliche Maßnahmen" gegen eventuelle weitere ehemalige Stasi-Mitarbeiter zu veranlassen. Es gehe um die Wiederherstellung der Glaubwürdigkeit; die Forschungsfrage sollte am Mittwochabend in einem Gespräch mit Depenbrock näher formuliert werden.

In einem ersten Schritt müsse geklärt werden, ob es weitere ehemalige IMs gebe. Das war eine Frage, die bereits in einer strukturgeschichtlichen Studie von 1997 thematisiert worden war. Weberling, einst Personalchef, gehörte zu den Verfassern. "Damals war der Erschließungsstand aber längst nicht so weit wie heute", sagte er. Danach solle der Einfluss dieser Mitarbeiter auf die Berichterstattung der Zeitung geprüft werden.

Eine Novelle des Stasi-Unterlagengesetzes würde die Arbeit für Forscher erleichtern, so Weberling, "die Einsichtnahme in Akten heißt aber nicht Veröffentlichungsfähigkeit". Weberling erwartet daher, dass "die Dinge redaktionsintern kritisch diskutiert werden" - zur gemeinsamen Aufarbeitung.

Die Redaktion und Depenbrock, der zugleich Geschäftsführer ist, liegen aber im Streit über Depenbrocks Doppelfunktion. "Seit der Wende gilt nun, wie in Stein gemeißelt, die Regel des unabhängigen Journalismus. Die Redakteure sollten nie mehr wirtschaftlichen oder politischen Einflüssen unterliegen", schrieb Depenbrock am Dienstag in einem Text in eigener Sache zur Stasi-Affäre - Depenbrock, der als Geschäftsführer die Renditewünsche von Konzernchef David Montgomery an die Redaktion durchwinkt, als unabhängiger Aufklärer. Es gibt Menschen im Berliner Verlag, die sich darüber wundern. RAA

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3 Kommentare

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    Klaus Busse

    @ anke zoecket

     

    Früher las ich gerne Märchen, denn sie waren spannend, logisch, inhalts- und lehrreich.

    Dem hier vorhergehenden fehlt es leider an allem.

    Kehren wir also wieder zurück zu Grimm, Hauff usw.

  • AZ
    anke zoeckel

    Es war einmal, vor vielen Jahren, als das Wünschen noch geholfen hat. Da herrschte eine gar mächtige Herrin über ein gar unbedeutendes Land. Der Name der Herrin aber war Stasi. Auf einen Wink ihrer feisten Hand hin wurden Menschen gefangen gesetzt, erniedrigt oder sogar umgebracht. Ihre Untertanen fürchteten sich zu Recht vor dero Majestät, wussten sie doch nur zu gut, dass die Dame viele willige, wenn auch geheime Helfer hatte. Und ein Einzellben ist zerbrechlich! So regierte Majestät Stasi etliche Jahre unangefochten und rücksichtslos. Wie es aber im Leben manchmal geht führte die Herrscherin, berauscht von der eigenen Macht, ein derart ausschweifendes Leben, dass sie eines Tages beim Blick in ihre Schatzkammer die Insolvenz feststellen musste. Es hatte sich nicht ausgezahlt, ein Heer von Menschen in den Dienst ihrer Phobien und Aggressionen genommen zu haben. Zu unproduktiv waren Greifer, Schnüffler und Henker gewesen, als dass ein einziger Diamant, ein Goldstück oder ein Silberling übrig geblieben wäre, und die Behauptung, aus Stroh sei Gold zu spinnen, war auch nicht wahr gewesen. Wovon sollte sie nun das Herr ihrer willigen Diener aushalten? Und weil es nun einmal nach Ansicht der Herrscherin das Sein ist, welches das Bewusstsein bestimmt, sah sie sich schweren Herzens gezwungen abzudanken. Niemand weiß, was aus ihr geworden ist. Die meisten ihrer Lakaien kamen später anderweitig unter ? obwohl sie nie etwas anderes gelernt hatten als zu schnüffeln, zu spekulieren und zu protokollieren. Denn es war zwar die Herrscherin von der Bildfläche verschwunden, die Gründe aber, die ihr seinerzeit Macht und Einfluss gesichert hatten, lebten fort. Millionenfach. Und noch immer begründeten sie Macht. Nur, dass die neue Macht die verbliebenen Lakaien und die gelernten Untertanen um einiges klüger und also verlässlicher dünkte, als die alte. Sie behauptete nämlich hartnäckig, sie könne rechnen.

     

    Und die Moral von der Geschicht'? Die geht so: Auch in zwanzig Jahren noch werden sich die früheren Untertanen mit unheimlichem Grauen an die unentrinnbar geglaubte Herrschaft jenes hässlichen Weibes namens Stasi erinnern. Sehr viel länger aber werden mit sehr viel mehr Grauen diejenigen geschlagen sein, die nie unter ihr überleben mussten. Alle gemeinsam werden sie die Symptome ihrer Phobien mit dem ewig gleichen Lärm unter jahreszeitlich wechselnden Herrschaften hinaus in die Welt posaunen. Allerdings immer nur rückwirkend und immer nur mit Blick auf den jeweils Nächsten. Denn das immerhin haben sie gelernt unter der Knute: Wer nur wild genug mit dem Finger fuchtelt, dem wird gehorcht, und zwar ganz und gar unabhängig davon, worin seine angebliche Macht tatsächlich besteht.

  • B
    Bert

    Kann mir mal jemand erklären, warum man noch immer gegen "Stasi"-Mitarbeiter hetzt? Was haben diese Leute verbrochen, außer dass sie Staatsdiener waren? Besonders effektiv können die IM's nicht gewesen sein, mit ihrem ganz konkreten Hinguck- und Hinhörverfahren und den unüberschaubaren Aktenbergen in der Zentrale. Heute wird jedes E-Mail, jedes Telefon, jeder Internetseitenabruf überwacht, überall stehen Kameras rum - von dieser technisch massiv gesteigerten Effektivität konnte der Stasi nur träumen. Die Anti-Stasi-Hetze ist also wohl eine ablenkende Nebelgranatenwerferei des rot-schwarzen Konservativismus.