Berliner Urteil gegen Speicherzwang: Vorratsdaten nicht auf Firmenkosten
Ein Telekomkonzern hat erfolgreich gegen Vorratsdatenspeicherung geklagt: Solange der Bund die Kosten dafür nicht übernimmt, könne er die Firmen nicht zur Speicherung zwingen, so ein Berliner Gericht.

BERLIN dpa/afp Der Telekomkonzern BT muss vorerst keine Kundendaten speichern, weil ihm der Bund dafür anfallende Kosten nicht ersetzt. Das entschied das Berliner Verwaltungsgericht in einer am Dienstag bekannt gewordenen einstweiligen Anordnung.
Die Firma muss keine Technik auf eigene Kosten anschaffen, so die Richter. Damit gaben sie einem entsprechenden Eilantrag einer deutschen Tochterfirma der britischen BT-Gruppe statt. Die hatte angegeben, mindestens 720.000 Euro investieren zu müssen, um die technischen Voraussetzungen für die Datenspeicherung zu schaffen. Überdies entstünden laufende Betriebskosten von 420.000 Euro im Jahr. Dies sei auch deshalb unangemessen, da wegen ihres Kundenkreises, in erster Linie große Unternehmen, Behörden des Bundes und der Länder, kaum Anfragen von Strafverfolgungsbehörden zu erwarten seien.
Nach einer seit Januar geltenden Gesetzesregelung sind Anbieter von Telekommunikationsleistungen verpflichtet, die Gesprächsdaten ihrer Kunden für sechs Monate zu speichern und auch die Technik dafür bereitzustellen. Wer dies nicht tut, soll vom kommenden Jahr an mit einem Bußgeld zur Kasse gebeten werden.
Das Gericht hatte bereits im Juli in einem gleichgelagerten Fall Zweifel geäußert, ob den Firmen die Kosten für die Vorratsdatenspeicherung aufgebürdet werden dürfen. Damals hatten die Richter das Verfahren dem Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe vorgelegt. Die Entscheidung dort steht noch aus.
Der Regulierungschef der BT-Gruppe, Felix Müller, sagte dem Handelsblatt zu dem Erfolg seines Eilantrages: "Das Gericht hat sehr deutlich gemacht, dass der Bund die Industrie nicht grenzenlos für hoheitliche Aufgaben im Bereich der Terrorbekämpfung in Anspruch nehmen kann, ohne gleichzeitig adäquate Entschädigungsregeln vorzusehen."
Die Bundesregierung kann gegen den Beschluss des Berliner Verwaltungsgerichts noch Beschwerde beim Oberverwaltungsgericht einlegen.
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