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Berliner "Tatort" über LobbyismusSelbstmord im Gesundheitsministerium

Kommentar von Christian Buss

Der Referatsleiter hat sich umgebracht. Ritter & Stark ermitteln im Ministerium. "Schleichendes Gift" taucht tief in das psychosoziale Dickicht des Regierungsmilieus ein: So, 20.15 Uhr, ARD.

Der Berliner Politzirkus stimmt ihn nachdenklich: Till Ritter (Dominic Raacke). Bild: ard

E s sind oft nur winzige Worte, die der Pharmaindustrie Milliarden einbringen. Weitet die Politik einen punktgenauen Gesetzestext vor seiner Verabschiedung durch einen einzigen Begriff unauffällig ins Unverbindliche, lassen sich locker ein paar teure Medikamente mehr an die Kranken bringen. Und wo es um Milliarden geht, da steht natürlich auch immer die Möglichkeit des Mordes im Raum.

Dass Joseph Feinlein, Referatsleiter im Gesundheitsministerium, freiwillig aus dem Leben geschieden ist, scheint also eher unwahrscheinlich, auch wenn anfänglich alle Umstände auf Selbstmord zu deuten scheinen. Die Berliner Kriminalhauptkommissare Till Ritter und Felix Stark (Dominic Raacke und Boris Aljinovic) haben so nun ausgiebig Gelegenheit, sich im Ministerium umzutun. Neidisch inspizieren sie die ergonomischen Bürostühle der Bonzen und machen die eine oder andere ironische Anmerkung über die tödlichen Folgen der Gesundheitsreform.

Tatsächlich beschäftigte den Ermordeten kurz vor seinem Tod ein unbequemes Gesetzesvorhaben - weshalb gleich eine ganze Reihe von Lobbyisten auf ihn einzuwirken versuchte. In den letzten Minuten seines Lebens soll der Referatsleiter noch eine brisante Liste an einen Journalisten herausgeschickt haben, auf der er dezidiert die Seilschaften zwischen Politik und Pharmaindustrie offenlegt.

Verkamen früher beim Berliner "Tatort" reale oder fiktive Politiker allzu oft zur Staffage, durch die den oftmals arg schlichten Hauptstadt-Täterrätseln die Anmutung von Politkrimis gegeben werden sollte, so tauchen Ritter und Stark in dieser Folge - "Schleichendes Gift" - endlich ein bisschen tiefer ins psychosoziale Dickicht des Regierungsviertels ein. Regisseur Uwe Janson inszeniert mit leiser Süffisanz, wie die Ermittler den einen oder anderen Flirt zwischen Parteifunktionären und Lobby-Arbeitern stören, und Autor Thomas Kirchner, der zuvor die Bücher für psychologisch genaue Gesellschaftskrimis wie "Mord am Meer" oder "Das Geheimnis im Moor" verfasst hat, arbeitete klug einige tragische Verstrickungen in den Berliner Politzirkus hinein.

Wie unbeweglich letztendlich die Player im Machtzentrum des Landes sind, zeigt sich auf ganz unspektakuläre Weise an Referentin Julia Jansen (Anja Kling in intelligent gedrosselter Aktion), einer Mitarbeiterin des Ermordeten, die zwischen Idealismus und Konformitätsdruck aufgerieben wird und letztendlich auch nur ihr Eigenheim abzahlen will. Mag es in diesem Hauptstadt-"Tatort" auch um Milliarden gehen: Hier strahlt die Berliner Republik ungefähr so glamourös wie eine Doppelhaushälfte.

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