Berliner Tagebuch: So viel Zukunft
■ Berlin vor der Befreiung: 9. März 1945
Foto: J. Chaldej/Voller Ernst
Günther Birkenfelds Geburtstag, den wir mit ausgiebigem Essen und Wein feiern. Bei Kerzenlicht, denn der Strom war wieder ausgeschaltet und das Licht brannte nur während des Alarms. Angriff in einem fremden Keller ist immer unangenehm. Rings um uns 12 schwere Bomben. Man weiß nie, wie die fremden Menschen, mit denen zusammen man eingesperrt ist, sich im Augenblick der Gefahr benehmen werden – Wir lasen uns neue Gedichte vor. Ich bewunderte Odas leichte schwebende Lyrik, deren Qualitäten mir in der fremden Umgebung besonders deutlich wurden, sehr: all das Schwebende, Zarte, Formvollendete und manchmal zu Spröde, das mir sonst nie recht deutlich wurde, weil ich es ja gewöhnt bin. – Wir sprachen viel von der Zukunft. Auf einmal haben wir alle wieder so viel Zukunft wie lange nicht mehr. Vielleicht täuscht man sich da. Horst Lange
„Tagebücher aus dem Zweiten Weltkrieg“, hrsg. von Hans Dieter Schäfer, v. Hase und Koehler Verlag, Mainz 1979.
Horst Lange (1904-1971), Schriftsteller. Bekanntestes Werk: „Auf den Hügeln vor Moskau“, das Carl Zuckmayer als beste deutsche Prosadichtung aus dem letzten Krieg bewertete.
Recherche: Jürgen Karwelat
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