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Berliner SzenenHochzeit im Wedding

Der Haushalter

Er sollte mich ­streicheln, ich hab auch Noppen

Wir sind auf eine Hochzeit eingeladen. Im Wedding. Genau mein Humor. Auf dem Weg von der Kirche zur Feier muss der Festzug die Seestraße entlang. Wir passieren eine Engelhardt-Kneipe mit bräunlichen Raff­stores und traurigen Kakteen im Schaufenster. „Seetank“ verkündet das Schild. Davor liegt ein Mann auf der Straße, lehnt auf der Seite, eine Bierflasche im Arm und die Hand an die Hauswand gelegt.

„Er hält das Haus fest, damit es nicht umfällt“, sagt Paul. –„Hat wahrscheinlich geschwankt, als er eingeschlafen ist“, sage ich. Paul nickt. „Du schläfst auch so“, ergänze ich. Paul guckt empört. „Doch!“, sage ich. „Mit Katzenkissen statt Bierflasche im Arm, unserem Bett statt des Gehwegs unter dir und die Hand an der Raufasertapete. Fast exakt gleich.“

Wenn Paul unruhig schläft, streichelt er die Noppenwand, das gibt dann ein schabendes Geräusch. Schrecklich. Ich werde davon wach, außerdem macht es mich eifersüchtig. Lieber sollte er mich streicheln, ich hab schließlich auch Noppen. Blass und flach bin ich auch.

Die Hochzeitsfeier findet auf einem Hinterhof in der Seestraße statt. Mülltonnen sind an den Rand in Reih und Glied gestellt und mit gestärkten weißen Tischdecken überzogen. Weißer Tüll hängt über dem rostigen Eisenzaun, der den Hof vom nächsten trennt. Überall stehen Tische und Stühle, es gibt Kaffee, Eis und Bier für alle.

Auf dem Rückweg kommen wir noch mal am „Seetank“ vorbei. Der Haushalter von vorhin ist jetzt wach und steht mit dem Rücken an der Wand. Neben ihm eine zweite Gestalt mit Pfandflaschentüte. „Sacht die, ick soll nich so viel saufen“, erzählt die zweite. – „Ditt jeht die janüscht an!“, murmelt der Haushalter.

Ich gucke Paul an und lächle. Die Essenz einer guten Beziehung ist doch die Einigkeit.

Lea Streisand

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