Berliner Szenen: Müller-/Ecke Ostender
Wedding, New York
Morgens früh irgendwann vor acht ist die Ampel an der Kreuzung Müller-/Ecke Ostender Straße immer rot. Von hier sieht man an klaren Tagen den Fernsehturm am Ende der Straße aufragen, ein stummes Versprechen aus Ostberlin. Ist es neblig und versmogt, bleibt nur der Blick auf das sich im Bau befindende Nobelheim für Studenten mit reichen Eltern und schlechtem Geschmack. Denen sind gerade die Dekosteine ausgegangen und so wartet es halb verklinkert auf Investoren.
Hinter mir vergammeln die Paletten des Café mon rêve.
Gähn.
Zum Glück gibt es diesen kleinen Schriftzug, den jemand getaggt hat, auf Augenhöhe. Mit schwarzen Edding hat dort jemand einen Namen hingekritzelt: Tony Kayal. Das reicht, um das Kopfkino selbst in verschlafenstem Zustand anzukurbeln.
Ich denke: New York. Ich denke: Scorsese und Spike Lee. Ich denke: Endsiebziger. Ich denke: „Summer of Sam“ meets „The Departed“.
Tony ist eine arme Socke. Ältester Spross eines Mafiaclans, ist er qua Geburt zu Großem auserwählt, doch seinem Vater, ganz alte Schule, ist dieser Junge nicht Junge genug. Tony (gespielt von Adrien Brody) ist ja eher so ein Schmächtiger, Feiner. Gut zum Rippenzählen, mit Gel im Haar, und immer weint er, wenn bei irgendwem ein Pferdekopf im Bett liegt. Er liebt Punk und New Wave und nicht Al Martino oder die Stones. Den Schminktisch seiner Schwester liebt er auch. Weil sein Vater den jüngeren Bruder, ein echtes Trumm (natürlich: Leonardo di Caprio) zum Nachfolger ernennt, nennt sich Tony fortan Kayal und mit seiner Gang aus schwarzledernen Genossen à la Guitar Wolf marodiert er durch die Gegend, bis er seinem Vater und, weit schlimmer, dem Mustermafiosi-Bruder in die Quere kommt. Es folgen Brudermord und Vaterduell und alles ist toll und schlimm, mit der Musik von Suicide, den Ramones und der frühen Patti Smith und …
Oh. Grün.
Kirsten Reinhardt
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