piwik no script img

Berliner SzenenAm See

Die Yoga-Rassistin

Hat sie gerade wirklich Menschen mit Affen verglichen?

Gemeinsam mit einer Freundin fahre ich zur Krummen Lanke, auch eine Kollegin von ihr kommt mit. Nachdem wir im See gebadet haben, unterhalten wir uns über die vierte Yogareise nach Indien der Kollegin. Sie sagt, sie habe dort ihren Platz auf dieser Erde gefunden. „Und die Leute?“, frage ich. Sie versteht die Frage nicht. Ob sie viele Leute dort kennt. Klar, in solchen Yoga-Workshops gebe es viele Europäer und Menschen aus aller Welt. Aber ich meine die Inder.

„Na ja, die sind süß, aber nicht so zivilisiert wie wir, weißt du? Es ist ein bisschen wie Planet der Affen bei ihnen.“ Sprachlos und voller Fremdscham gucke ich meine Freundin an. Ihr scheint es genau wie mir zu gehen. Als ich es endlich schaffe zu reagieren, frage ich sie, ob sie gerade wirklich die Menschen mit Affen verglichen hat? „Warum? Hast du irgendwas gegen Affen?“, schießt sie empört zurück. Meine Freundin sagt nichts. Sie sieht so aus, als würde sie gleich entweder anfangen zu weinen oder sich kaputtlachen. Ich kann es einfach nicht glauben.

Ungestört erzählt die Kollegin als Nächstes, wie toll Thailand ist, wie serviceorientiert die Thailänder sind, und macht eine Geste, als würde sie zu einem Gott betten. Dort könne man schon mit den Lokalen etwas anfangen, nicht wie in Indien. An diesem Punkt kündige ich an, dass ich gehen muss, und packe meine Sachen. Meine Freundin entschuldigt sich mit deutenden Blicken. „Schade!“, sagt die Yoga-Rassistin.

Ich gehe zum Schlachtensee, denn es ist ein wunderschöner Tag, und eigentlich habe ich Lust, das Wetter zu genießen, und will nicht ihretwegen schon zurückfahren. Später treffe ich die beiden wieder am Gleis in der U-Bahn-Station. Sie fragen mich nicht, warum ich immer noch da bin, und ich sage nichts. Auch während der Fahrt wird kein Wort gesprochen.

Luciana Ferrando

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen