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Berliner SzenenSchreck auf der Terrasse

Der Nachbar

„Ich bin Barbara“, sagte ich. „Isch bin Bertram“, sagte er

Tagsüber war es sehr heiß gewesen, am Abend kühlte es ab und dann kam das angekündigte Gewitter. Der Himmel öffnete sich und wahre Wassermassen stürzten hinab, begleitet von Blitz, Donner und Sturm. Ein faszinierendes Schauspiel. Plötzlich fiel mir die Plastikdecke auf dem Tisch auf der Gemeinschaftsterrasse ein, die meine Nachbarin erst kürzlich gekauft hatte, rot mit weißen Punkten. Möglicherweise hatte der Sturm sie schon hinweggetragen.

Mit Plastiksandalen an den Füßen stieg ich zur Terrasse hoch. Die schwere Eisentür stand einen Spalt offen und ich vermutete, dass die Naturgewalten sie aufgedrückt hatten. Ohne wirklich hinzuschauen, griff ich mit der rechten Hand nach der Türklinke und neigte den Oberkörper nach vorn, um vor dem Regen in Deckung zu gehen. In Gedanken zählte ich die Schritte, die ich brauchen würde. In dem Moment, in dem ich den rechten Fuß auf die Terrasse stellte und die Tür öffnete, bekam ich solch einen Schreck, dass ich laut aufschrie, einen Sprung zurück machte und mir panisch ans Herz fasste.

Hinter der Tür stand unter dem schmalen Dachvorsprung, wo der Regen nicht so hinpeitschte, eine lange und dunkle Gestalt, die von einem Glimmen begleitet wurde. Es war ein Mieter aus dem Haus, den ich nicht kannte, der mit einer Zigarette und einem Bier das Naturschauspiel genoss. Ich sprang an ihm vorbei und riss die Decke vom Tisch.

Kaum hatte ich sie über das Treppengeländer gelegt, fasste ich mir noch einmal ans Herz und stellte mich vor. „Ich bin Barbara“, sagte ich und reichte ihm die Hand. „Isch bin Bertram“, entgegnete der Mann, der Franzose war, und entschuldigte sich vielmals. Als wäre er noch immer der leibhaftige Teufel, verschwand ich wieder in meiner Wohnung, wo sich mein Herz langsam wieder beruhigte.

Barbara Bollwahn

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