Berliner Szenen: Lieferservice Giovanni
Kontaminierte Sushi
Grillen auf dem Innenhof. Irgendwann kommt ein Mitarbeiter eines großen Essenslieferanten mit seinem Fahrrad an die Tür zum Seitenflügel, kramt etwas umständlich in seiner Kühltasche herum und zieht schließlich eine Plastikbox hervor, deren Inhalt sich beim Herausnehmen über den Steinboden verteilt: Sushi.
Der Mann zögert, schaut kurz zu uns herüber. Dann nimmt er die Maki-Röllchen, legt sie jede einzeln fein säuberlich zurück in die Box und betritt das Gebäude. Kurz darauf kommt er wieder nach draußen und radelt davon.
Ungefähr zehn Minuten später kehrt der Mann zurück. Als er unsere Überraschung bemerkt, erklärt er, die falschen Sushi zugestellt zu haben: Eigentlich hätten sie in die Fehrbelliner Straße gehört. Jetzt müsse er sie umtauschen.
Der Lieferant verschwindet ein zweites Mal im Gebäude, kommt nach einer Weile mit den inzwischen vermutlich nicht nur schmutzigen und angegrapschten, sondern auch salmonellenverseuchten Sushi zurück, überlegt, wählt eine Nummer, erreicht niemanden, steht jetzt einfach nur da.
Als wir ihm, um die Situation aufzulösen, ein Bier anbieten, nimmt er freudig an: Er habe vor Kurzem einen Joint geraucht, da sei ein Bier jetzt gerade richtig!
Der Mann, er ist Anfang, Mitte vierzig und spricht gebrochenes Englisch, stellt sich uns als Giovanni vor. Giovanni erklärt, so stoned zu sein, dass er die Hausnummer des Sushi-Empfängers in der Fehrbelliner Straße vergessen habe und in der Zentrale erreiche er niemanden. Giovanni trinkt also ein Bier und dann noch eines und sagt schließlich, jetzt erinnere er sich wieder: Es sei entweder die Hausnummer 24 oder 42 gewesen. Dann verabschiedet er sich.
Ich hoffe, der rechtmäßige Empfänger hat seine Sushi nie erhalten. Andreas Resch
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