Berliner Szenen: Tatort Kreuzberg
Toter Prankster
„Guck mal, der große blonde Typ da vorne. Der mit dem Käppi. Den kenn ich doch von irgendwoher“, sage ich zu H. „Nicht schon wieder“, stöhnt sie. „Das denkst du ständig. Hoffentlich kommst du jetzt wenigstens schnell darauf, woher du den wieder kennen könntest.“ Es stimmt, in Berlin verrenke ich mir öfter mal den Kopf, weil ich Menschen hinterherblicke, die mir bekannt vorkommen. Den Kontext dann herauszufinden ist ein klasse Alltagsspiel. Finde ich zumindest.
Gerade warten wir an einer Kreuzberger Ampel und ich starre intensiv auf die gegenüberliegende Straßenseite. Der blonde Lockenkopf mit schlaksig-langen Beinen steht vor einem Café und unterhält sich. „Diesen schläfrigen Blick, den hab ich erst kürzlich gesehen. Der ist sicher Schauspieler“, überlege ich laut weiter. „Auch das denkst du immer. Nur weil’s Berlin ist, laufen hier nicht nur Schauspieler rum.“ H. schüttelt den Kopf. Die Ampel springt auf Grün, wir setzen uns in Bewegung. „Ah, du meinst den da? Der kommt mir auch bekannt vor“, gesteht H. jetzt. Es klingt etwas widerwillig. „Hah!“, sage ich.
Unschlüssig bleiben wir stehen, eigentlich wollen wir links abbiegen. Doch noch hab ich keinen Namen, keinen Film auf der Zunge. Der Lockige lacht, sagt etwas. Seine Stimme ist tief, sie klingt schläfrig. „Ich sehe den irgendwie am Boden liegen …“, sage ich leise, wir sind jetzt in Rufweite der beiden sich unterhaltenden Männer. „Aha. Lass uns trotzdem jetzt weitergehen, okay?“, sagt H. Der vermeintliche Darsteller schaut kurz in unsere Richtung. „Der Tote aus dem letzten Tatort“, rutscht es mir laut raus.
Der junge Mann grinst. Später sagt mir Wikipedia, dass er der Schauspieler Merlin Rose ist. Und natürlich der tote Prankster aus dem mittelmäßigen Dresdner „Tatort“. Berlin ist eben doch voller Schauspieler. Linda Gerner
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