Berliner Szenen: Scanner mal wieder kaputt
Nett sein ist möglich
Meine Bank tut viel dafür, dass ich mein Konto online betreibe. Sie haben Filialen geschlossen, Schalter in Schreibwarenläden ausgelagert und Überweisungsgebühren eingeführt. Ich wollte schon das Kreditinstitut wechseln. Aber dann haben sie „SB-Automaten“ aufgestellt, an denen ich „schnell und bequem“ meine Überweisungsträger einscanne. Klingt super.
Die Wirklichkeit sieht anders aus: Am jeweils einzigen Automaten steht man ewig Schlange. Häufig ist der Scanner defekt, man muss die meterlangen IBAN-Codes mühselig per Hand eintippen. Andere Kunden werden ungeduldig und oft laut. Mittlerweile zögere ich meine Überweisungen so lange heraus, dass ich Mahnungen erhalte. Nicht so gut irgendwie.
Ich muss das also mal erledigen. An einem verregneten Juni-Abend begebe ich mich mit einem Stapel ausgefüllter Überweisungsträger in eine Weddinger Filiale. Meist ist das Publikum dort ziemlich anstrengend. Die Leute vor einem kapieren die Technik nicht, die hinter einem meckern, weil es so lange dauert. Diesmal bin ich allein. Dafür ist mal wieder der Scanner kaputt. Egal. Ich tippe die ersten Daten ein. Da höre ich ein Rascheln. Ein sehr alter Herr mit einer sehr zerknüllten Zeitung steht hinter mir. Er hat ungekämmte Haare, ist nachlässig gekleidet und wirkt, als könne er nicht lange so da stehen. Nach zwei Überweisungen mache ich ihm Platz und stelle mich wieder hinter ihn. Da sehe ich, dass er die Süddeutsche liest. Als ich wieder am Automaten bin, steht er plötzlich neben mir. Sehr ruhig und sehr höflich sagt er: „Entschuldigung, ich habe erst jetzt bemerkt, dass Sie mich vorgelassen haben. Das war nett, vielen Dank.“ Ein Geruch von teurer Seife umweht ihn. Selbst bei der Bank gibt es immer wieder angenehme Überraschungen. Ich bleib da jetzt erst mal Kundin.
Gaby Coldewey
Eine Koalition, die was bewegt: taz.de und ihre Leser:innen
Unsere Community ermöglicht den freien Zugang für alle. Dies unterscheidet uns von anderen Nachrichtenseiten. Wir begreifen Journalismus nicht nur als Produkt, sondern auch als öffentliches Gut. Unsere Artikel sollen möglichst vielen Menschen zugutekommen. Mit unserer Berichterstattung versuchen wir das zu tun, was wir können: guten, engagierten Journalismus. Alle Schwerpunkte, Berichte und Hintergründe stellen wir dabei frei zur Verfügung, ohne Paywall. Gerade jetzt müssen Einordnungen und Informationen allen zugänglich sein. Was uns noch unterscheidet: Unsere Leser:innen. Sie müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 50.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Es wäre ein schönes Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen