piwik no script img

Berliner SzenenAce Of Base und Cobain

Kassettenrekorder

„Bin kein Hipster“, will ich fastschon sagen

MP3-Player kaputt, Smartphone letzten Sommer beim Fotografieren aus dem Autofenster geworfen, ich habe kein Audiogerät und will unbedingt unterwegs Musik hören. Ich brauche die Motivation der Musik, um mit dem Fahrrad von Neukölln zum Kino International zu fahren. Ich bin verabredet, mit Musik bin ich schneller.

Mir fällt ein, dass ich irgendwo noch mein altes Kassetten-Aufnahmegerät haben muss. Eine Box mit Kassetten unbekannter Herkunft liegt auch bei mir rum. Ich werde schnell fündig und bereite begeistert alles vor: die Batterien kontrollieren, eine Jackentasche finden, in die das sperrige Gerät passt, die Kassetten zurückspulen, auch mit einem Kuli. Eine Reise in der Vergangenheit!

Ich fahre los und drücke auf „Play“. Seite A: melodische italienische Musik. Seite B: Ace of Base. Die Kassette gehört definitiv nicht mir. Zum nächsten Lied vorzuspringen ist aufwändig. Stopp, Stille. Ich höre nur die Kassetten in den Taschen reiben, ein Geräusch ebenso von früher.

Als Nächstes erklingt Musik aus „Pulp Fiction“. Ich freue mich kurz und dann doch nicht: Es ist, als ob ich den Film ein fünftes Mal schauen würde, es gelingt mir nicht, andere Bilder in den Kopf zu rufen. Und ich muss zugeben, das passt nicht zu Berlin. Nicht für mich. 90er Jahre, da sehe ich mich als Teenager, im Zimmer meiner älteren Cousine, wo wir heimlich die Drogenexzesse Uma Thurmans und John Travoltas an einem heißen Sommernachmittag bewundert haben.

An der Ampel wechsele ich wieder die Kassette. Der Fahrradfahrer neben mir guckt mich amüsiert an und ich schäme mich. „Bin kein Hipster, fühle mich eher wie ein lebendiges Museum“, will ich fast sagen. „Alt fühle ich mich manchmal auch, übrigens.“ Ich sage doch nichts. Die Ampel schaltet auf Grün, Kurt Cobain beginnt zu singen. Luciana Ferrando

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen