Berliner Szenen: In der Röhre
Total komfortabel
Radiologen wollen auch am Abend noch Geld machen. Deswegen kann man sich, wenn andere am Freitagabend im Theater sitzen, in eine brummende strahlende Röhre legen und Wörter aus dem Firmenlogo „Siemens“ bilden (Esse zum Beispiel), damit das infernalische Dröhnen, das vom Kopfhörer eher verstärkt zu werden scheint, irgendwie auf ein anderes Gleis der Aufmerksamkeit gelenkt wird. Das MRT-Monster röhrt, und ich tröste mich damit, dass man verblüffend viele Wörter aus Siemens bilden kann. Nie, Messe, ins. Ich stecke zum Glück nicht mit dem Kopf direkt in der Röhre, auch wenn dieses Ungetüm modernerer Bauart ist und man nicht zwingend den Eindruck hat, in einen Tunnel des Vietkong gesperrt worden zu sein. Als ich keine neuen Worte mehr zusammenbekomme, wird mir mulmig. Durchhalten, verdammt. Bauchatmung. Puh.
Die Angst vor der Röhre ist draußen im Wartezimmer das große Thema. Eine Frau, die mit ihrer Mutter gekommen ist, sagt, sie sei schon dreimal aus der Röhre geflüchtet. Eine ältere türkische Frau, der man ansieht, dass sie am liebsten schon aus dem Wartezimmer flüchten möchte, lässt sich von mir beruhigen. Ich schildere das Ungetüm als ungemein bequeme und luftige Anlage, nicht als das Folterinstrument, das es in Wirklichkeit ist. „Da ist wirklich viel Luft über der Nase“, höre ich mich sagen. Die Frau durchschaut wohl meine Lüge. Das Siemens-Ding ist fies, die Ärztin anscheinend auch. Mich hat sie professionell behandelt, aber die Frau mit der dreifachen Fluchterfahrung kommt aus UmKabine 2 gestürmt und beschwert sich lauthals über die Radiologin. Das ginge ja gar nicht hier. Nicht mal Bitte und Danke könne die sagen, obwohl die doch wisse, dass sie es mit einer Panikpatientin zu tun habe. Die türkische Dame wirkt jetzt noch bedrückter. Markus Völker
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