piwik no script img

Berliner SzenenAquariumreinigung

Seltsamer Fisch

Einmal haben die Taucher drei Tage gestreikt

Berlins Glasfassaden fallen einigen Besuchern der Stadt auf. Mich haben schon welche da­rauf angesprochen und gefragt, wie man die putzt. Vermutlich kommen viele von ihnen aus Städtchen mit Mittelalterkern. Ich stelle mir dann vor, wie sie zu Hause in ihren Altstadtvierteln die Butzenscheiben in ihrem Mittelalterhaus putzen. Sie würden die Glasfassadenfrage wohl auch in Düsseldorf oder in London stellen. Aber neulich hab ich in Berlin einen besonderen Glasputzer gesehen. Es war in diesem Hotel an der Karl-Liebknecht-Straße, wo ein Riesenaquarium steht, in dem ein Glasfahrstuhl hoch- und runterfährt. Ich wartete auf jemanden im Foyer und guckte auf das Aquarium.

Da sah ich zwischen den Fischen einen Taucher, mit schwarzem Gummianzug und Sauerstoffflasche auf dem Rücken, wie in einem Meeresabenteuerfilm aus den 70er Jahren. In der Hand hatte er einen Schwamm, der wirkte nicht viel größer als ein Spültuch, damit putzte er die Aquariumscheibe von innen. Gemächlich, Stück für Stück. Die meisten Fische schienen ihn nicht zu beachten. Außer einem. Der war schwarz-gelb, platt, tellergroß und schwamm immer wieder um den Kopf des Tauchers rum. Einmal entfernte sich der Fisch, nur um dann doch nochmal zum Taucher zu schwimmen. Als würde ihn eine Frage nicht loslassen, die er dem Taucher gern stellen würde: Was bist du für ein seltsamer Fisch?

Ich sagte einem Hotelmitarbeiter, wie bemerkenswert ich die Tauchaktion fand. Der meinte, dass das Glas täglich gereinigt wird. Einmal hätten die Taucher drei Tage gestreikt, da wurde das Glas grün, und man konnte fast nichts mehr sehen vor lauter Algen. Ich fand’s schade, dass ich in dem Moment ohne Begleitung von Touristen aus Mittelalterstädten war. Die hätten bestimmt auch gestaunt.

Giuseppe Pitronaci

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen