Berliner Szenen: Das Fu der Steuererklärung
Schnelles Amt
Ich begleite eine Bekannte zum Amt, Jobcenter. Zuzahlung will sie beantragen, zu ihren Einnahmen aus Selbstständigkeit, denn die Einnahmen sind grad nicht so doll. Das erklären wir der Dame dann auch, zu der wir gerufen werden. Wir legen alle Papiere vor, die man so braucht. Bis ins kleinste Detail haben wir die zusammengesucht, geordnet, kopiert.
Aber etwas fehlt doch.
„Ihren Steuerbescheid!“
„Ist dabei“, sagt meine Bekannte und zieht ihn raus. Die Dame schüttelt den Kopf: „Den neuen, bitte. Von letztes Jahr.“
„Ja, aber . . .“, sagt meine Bekannte. – „Letztes Jahr, nicht vorletztes. Haben Sie den nicht?“
„Nee“, sagt meine Bekannte, und das kann ich verstehen. Ist ja die erste Januarwoche, da sind beim Finanzamt noch nicht mal die Vorlagen für die Erklärung zu haben. Meine Bekannte schaut hilfesuchend zu mir, aber ich kann ihr nicht helfen; ich hab ’nen Flashback: zu dem einen Mal Einreise in die USA, wo mich auch wer vom Amt was gefragt hat, was ich akustisch verstand, aber sonst null.
„Got any fu?“, wollte der Zollbeamte damals wissen. „Fu! Fu! Got any fu?“
Ich überlegte: Fu? Fu? Kung-Fu vielleicht? Vielleicht will er ja wissen, ob ich heimlich Superman bin. Oder Kampfsport betreibe; vielleicht war das ja auch verboten mittlerweile, und ich hatte es nur noch nicht mitgekriegt.
Es war kein Kampfsport damals, kein Superman. Es war einfach food, Essen, ohne das d am Ende gesprochen. Aber bevor ich das schnallte, guckte ich garantiert so wie jetzt.
„Häh?“, frage ich die Dame vom Amt.
„Der Steuerbescheid“, sagt sie noch mal.
„Oje“, denk ich, und es ist harte Arbeit, ihr zu erklären, dass wir den wirklich noch nicht haben können. Meine Bekannte schwitzt, als wir den Raum verlassen. „Weißte was?“, sage ich ihr. „Mir ist da was eingefallen. War fast noch schlimmer. Got any fu? “ Joey Juschka
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