Berliner Szenen: In Kreuzberg
So geht Wahlkampf
„Mama, ich will einen Luftballon“, ruft meine sieben Jahre alte Tochter. „Ich auch“, schreit mein dreijähriger Sohn. Ich gehe zum Infostand der Grünen. Dort liegen grüne, unaufgeblasene Luftballons. Vor dem Stand steht ein Mann, den ich kenne. Mir fällt nur sein Name nicht ein. „Ich will einen fliegenden Luftballon“, ruft meine Tochter. „Ich auch“, schreit mein Sohn. Ich umarme den Mann zur Begrüßung. Wie heißt er nochmal? So was ist mir immer total unangenehm. „Habt ihr auch Gasluftballons?“, frage ich ihn. „Leider nein“, sagt er.
Beide Kinder rennen zum Stand der FDP. „Riskieren wir, dass unsere Kinder schlauer sind als wir“, steht auf dem gelben Luftballon, der angeleint hoch über dem Stand schwebt. „Gasluftballons hat nur die FDP“, sagt der Bekannte. Ich sehe, wie der Mann vom FDP-Stand schon meine Kinder erwartet.
„Die Gasluftballons sind viel zu teuer“, rufe ich ihnen hinterher. Das kennen die Kinder vom Rummel. Da gibt es nie einen Gasluftballon, eben weil die so teuer sind. Der Bekannte lächelt. Auf einmal merke ich, das ich den Mann nur vom Foto her kenne, vom Wahlplakat. Ich habe gerade Dr. Turgut Altug gedrückt.
Ich gehe in Richtung FDP-Stand. „Warum sind Gasluftballons eigentlich zu teuer?“, fragt meine Tochter. „Das ist das Gas“, sage ich. „Die Luftballons kosten aber gar nichts“, sagt der Mann und hält meiner Tochter lächelnd zwei Luftballons hin. Ich schüttle den Kopf. „Ich will den gelben Luftballon“, brüllt mein Sohn. „Du bist so gemein“, brüllt meine Tochter.
Ich schaue den Mann böse an und nehme die Luftballons, die er uns immer noch entgegenstreckt. „Schön am Handgelenk festbinden, damit sie nicht wegfliegen“, sagt der Mann. Ich lächle und gebe jedem Kind eine Luftballonleine in die Hand, ohne sie festzubinden.
Mareike Barmeyer
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