Berliner Szenen: Auf dem Spielplatz
Du tust mir leid
Auf einem Spielplatz in der Nähe des Hansaplatzes hilft eine Mutter ihrem etwa zweijährigen Sohn auf die Rutsche. Es ist 11 Uhr vormittags, der Spielplatz ist sonst leer. Eine Frau, die am Spielplatz vorbeiläuft, grüßt die Mutter bereits von Weitem mit einem Winken, springt dann über den Zaun und begrüßt sie mit den Worten: „Immer noch zu Hause, heh?“
Die Mutter lächelt etwas gequält und sagt: „Ja, war nichts mit der Eingewöhnung“ und motiviert ihren Sohn, allein zu rutschen. Der protestiert laut: „Mama, Hand! Mama helfen!“ Die Frau schüttelt den Kopf und sagt: „Und dein Mann ist fein raus, der arbeitet ja nicht zu Hause. Puh, du tust mir echt leid. Ich könnte das nicht, Kinder und keine Zeit mehr, auch nur die Fußnägel zu schneiden und so.“ Sie sieht die Mutter, die irritiert auf ihre ausgelatschten Sneakers starrt, kurz an: „Nichts gegen deine Fußnägel. Die kenne ich ja nicht. Ich meine nur: Mir wurde ja echt schon unser Hund nach zwei Wochen zu viel. Dem konnte ich dann schnell ein besseres Zuhause suchen.“ Die junge Mutter sagt grinsend: „Na ja, von außen kann man das nicht beurteilen. Da kriegt man ja auch nicht mit, was einem Kinder alles geben.“ Sie streicht ihrem Jungen liebevoll über den Kopf, nimmt ihn auf den Arm und trägt ihn zu den Schaukeln.
Die Frau folgt Mutter und Kind und schüttelt den Kopf: „Vielleicht. Muss ja viel sein, sonst gäbe es keine Kinder mehr.“ – „Na ja“, aber es gibt ja scheint’s genug Frauen, die Kinder haben und es bereuen“, antwortet die Mutter. „Schon mal was von regretting motherhood gehört?“ Die Frau schüttelt den Kopf. „Nee. Was ist das denn? Eine Wellness-Serie speziell für Mütter?“ Die Mutter lacht. Die Frau zuckt mit den Schultern: „Ist das auch lustig, wenn man keine Kinder hat? Ich versteh doch kein Englisch!“
Eva-Lena Lörzer
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