Berliner Szenen: Im Imbiss
Sallad komplett
Schnauf, wart, dängel, drängel, schnauf. Beim Hinsetzen im Bus haue ich mir aus Versehen voll auf die Brille. Kennt man ja aus Filmen. Kurzer Kontrollblick: hat keiner gesehen. Oder ist zumindest allen egal. Hoffe ich mal. Die ungefähr fünfzehnjährigen Pärchenteile neben mir halten sich die Nase zu. Er amüsiert sich darüber, wie schlecht es rieche. „Hat wohl einer hinjekotzt“, meint sie.
Es wundert mich, warum ich denn so gar nichts rieche – bin ich gar schlimmstenfalls etwa: die Quelle des Gestanks? Gerüche sind seltsam. Verfaultes riecht für mich schlimmer als Vergorenes oder Saures. Aber vielleicht gibt es ja auch Leute, die Kot und Verfaultem gegenüber toleranter sind. Für die muss dann anderes ganz schrecklich riechen. Wäre interessant, mal mit einer anderen Nase zu riechen. Oder mit anderen Augen zu sehen: Ist mein Blau auch das der anderen? Oder verwenden wir nur alle die gleichen Wörter für unterschiedliche Dinge? Als ich aussteige, sehe ich: hat tatsächlich jemand hingekotzt. Aber so was von. Menschenskinder. So was schaffen sonst nur Elefanten.
Im Dönerladen sagt der Verkäufer nicht wie sonst: „Sallad alles?“, sondern „Sallad komplett?“ (und nasaliert dabei auch noch das „kom“) – und ich bin schon wieder komplett überfordert. „Äähhh, ja“, stammele ich.
„Ick hätte jern‘nen halbes Hähnchen“, sagt plötzlich ein kleiner Alter neben mir, den ich gar nicht bemerkt hatte. Er sieht so urgemütlich aus, dass mir das Herz aufgeht. „Mit ein bisschen Sose?“, fragt der Verkäufer. „Nee, aba mit Pommes .... nee, Moment, mit Reis“, antwortet der Alte. „Setzen Sie sich ruhig schon, da vorne. Noch was zu trinken?“ – „Ja, bitte, ‘n Gläschen trockenen Rotwein.“
Der Verkäufer holt leicht überrascht eine Flasche unterm Tresen hervor und schaut vorher noch sicherheitshalber aufs Etikett. Adrian Schulz
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