Berliner Szenen: Herrliche Ruhe
In der Verbotszone
Wir wollten mal gucken. Das Café ist ja nun landesweit berüchtigt wegen des Mutti-Schrecks Ralf Rüller – oder wie Insider sagen: Röst-Ralle. Er betreibt einen Hotspot in Mitte, The Barn Coffee Roasters. Vor vier Jahren schreckte Röst-Ralle Mütter mit einem Betonpoller hinterm Eingang ab. Sie kamen mit ihren Kinderwägen nicht mehr gut rein in den Tempel der Arabica-Bohne. Unlängst verwies der Maestro eine stillende Mutter des Cafés. Die Mutter war sauer und startete eine Petition. Röst-Ralle hatte eine geniale Verteidigungsstrategie: Er grenze niemanden aus, schließlich sei er ja schwul. Außerdem werde seine Röstmaschine sehr heiß. Da kann ein 20 Meter entfernt stehender Kinderwagen leicht zum Feuerball werden.
Als wir den Laden betreten, steht Röst-Ralle im hinteren Bereich und röstet. Ein paar Handlanger hantieren mit großen Kaffeesäcken. Sie arbeiten konzentriert, ernsthaft. Laboranten des guten Geschmacks. Mütter sind im Café nicht zu sehen, auch keine Mitte-Nerds, denn Laptops sind ebenfalls verboten. Das Café ist ein angenehm klar gestalteter Showroom, in dem es um Effekte geht, nicht vordergründig um Umsatz. Kaffee trinken kann man, aber keinen Latte macchiato, denn man bedenke: Macchiato-Mütter! Die Bedienung stellt sich ein bisschen täppisch an. Die Kuchenstücke für mich und meinen Koinspizienten schaufelt sie auf ein Holzbrettchen, reicht nur eine Gabel, vergisst obendrein einen Kaffee. Aber er ist gut, der Kaffee mit „3 oz. milk“. Die Barista zaubert ein wirklich schönes Herz in die Crema. Die Schoko-Tarte ist köstlich.
Ab und an zieht eine Mutter mit Kinderwagen am Fenster vorbei und schielt skeptisch ins Café hinein, in die Verbotszone. Wir glotzen raus. Meine Begleitung sagt: „Aber angenehm ruhig ist es hier schon.“ Ja, herrlich. Kein Tastaturgeklacker, kein Geschrei. Markus Völker
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