Berliner Szenen: Lebende Dichter ehren
Funkenbogen
Professoren werden von ihren ehemaligen „Schülern“ für gewöhnlich, wenn sie als Fünfundsechzigjährige in den wohlverdienten Ruhestand gehen, geehrt. Dies geschieht heute meist in Form einer gedruckten Sammlung ihrer Texte. Für die Dichter, die nicht in Rente gehen können oder dürfen, gilt stattdessen, was zuletzt wieder Gerhard Zwerenz den halbwegs Gebildeten im Volk abforderte: „Ehret eure lebenden Dichter, denn sie werden lange tot sein.“
Deswegen werden sie schon mit 60 geehrt. So am 11. Januar geschehen mit dem Anarchodichter Bert Papenfuß, dessen halbe Prenzlauer-Berg-Szene (plus einer Handvoll Kreuzberger und Wiener) antanzte – insgesamt über 70 Autoren, die ihn wild entschlossen mit einem „Jubeldruck“ ehren wollten, den sie dann „Kaperfahrt um sieben Fuder Anagramme“ nannten. Die feierliche Übergabe fand im Vereinsheim des von Papenfuß und seiner Ehefrau Mareile Fellien erst jüngst gegründeten Kulturprojekts „Rumbalotte“ statt, das seit Anfang des Jahres in der ausgewaideten Maschinenhalle der ehemaligen Weißbierbrauerei, Berliner Straße 80, domiziliert ist.
Neben zehn Gedichten des Geehrten kamen Musikstücke der DDR-Punkband „Herbst in Peking“ zur Aufführung, unter anderem der Papenfuß gewidmete „Maritime Noir“-Song „Es gibt keine Freiheit“. Anschließend benannten einige Papenfuß-Verehrer die umliegenden Straßen in „Papenfußstraße“ um und achteten darauf, keine nach Opfern des Faschismus benannten zu erwischen, und nicht so sehr, ob der neue Straßenname auf gerader Zeile klebt. In dem „Jubeldruck“ sind besonders viele Dichter vertreten, die man schon an ihren (meist kurzen) Zeilen erkennt – selbst noch in ihren längsten Gedichten. Eines davon sei zitiert von Christine Sohn: „Andere kommen angeflogen/sprühen Funkenbogen.“ Helmut Höge
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