Berliner Szenen: Mit Migrationshintergrund
Alles Ausländer
Eine Grundschule im Wedding. Über 85 Prozent Kinder mit nichtdeutscher Herkunftssprache oder wie dit heißt. Migrationshintergrund halt. Oder eben: Ausländer. Wie manche dazu sagen. Vor allem die mit nichtdeutscher Herkunftssprache. Die mit Migrationshintergrund. Die Ausländer halt.
Mit schlafverklebten Augen steht man nach dem Kinderabliefern noch so rum auf dem Bürgersteig. Kleiner Plausch im Morgengrauen. Einige Eltern sind ganz aufgeregt, weil es ist ja das erste Kind, das eingeschult wurde, und noch dazu in diesem Kiez. Und noch dazu an dieser Schule. Vielsagende Blicke.
Man winkt ab. Ist ja auch schon Zweitklässler-Elternteil. Vollprofi: „Alles super. Ganz nette Klasse.“
Vorsichtige, erleichterte Blicke. „Ja wirklich? Also, wir haben ja schon ganz schön Angst gehabt. Diese Schule. In dieser Gegend.“ – „Haben Sie das?“ – „Jaja. Die ganzen Ausländer …“ Sagt die Frau, deren Vorfahren offensichtlich aus einem asiatischen Land kommen. Die Andere, die zuvor mit starkem Akzent gesprochen hat, blickt leicht beschämt, aber vielleicht bilde ich mir das nur ein.
„Ich hab gelesen, Migrationshintergrund bedeutet, dass ein Elternteil nicht aus Deutschland kommt. Also hat mein Sohn auch einen. Sein Vater ist Österreicher.“ Verlegenes Hüsteln der Asiatin. Die Andere grinst ein bisschen, aber vielleicht bilde ich mir das nur ein. „Na ja, ich meine die, die kein Deutsch sprechen! Ganz furchtbare Sachen hört man da von manchen Klassen.“ Die Andere: „Bei meinem ersten Kind konnte ich kaum Deutsch, das war mir so peinlich. Jetzt ist es besser.“ – „Was ist denn Ihre erste Sprache?“ – „Serbokroatisch.“ Die Andere: „Ja also, ich meine ja die ganzen Türken. Und Araber.“
Wenn ich nicht so müde wäre, würde ich kichernd auf dem Bürgersteig zusammenbrechen. Aber der ist mir zu schmutzig. In dieser Gegend. Die ganzen Hunde. Kirsten Reinhardt
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