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Berliner SzeneVor dem Morgengrauen

Hinterrücks

Ich setze die Sonnenbrille auf. Der neue Tag kann kommen

Der Speisesaal im Hotel Haus Morgenland an der Fincken­stein­allee ist erleuchtet, die Tische fürs Frühstück eingedeckt. Kein Mensch zu sehen. Wie immer, wenn ich hier bei abendlichen Spaziergängen vorbeikomme, und jetzt auch am Morgen. Der Speisesaal hat eine Bühne mit rotem Vorhang, davor ein Flügel. Steht jemals jemand auf der Bühne und wird der Flügel aufgeklappt? Scheint eher Dekoration zu sein für die große Blumenvase darauf. Das Hotel ist Mitglied im Verband christlicher Hoteliers e. V., wie ich lese. Vor Jahren übernachtete ich in Bochum in einem dieser Etablissements während einer Sterbebegleitung im städtischen Krankenhaus.

Um kurz vor fünf Uhr morgens frühstückt hier in Lichterfelde natürlich noch niemand. Ich gehe in den Park mit dem Denkmal für Otto Lilienthal. Der meterhohe Sandsteinsockel leuchtet im Morgenlicht, der Bronze-Mann mit den Flügeln darauf hat es mir angetan. Immer wieder zum Sattsehen. Für den Holunder bin ich offenbar zu spät, er ist verblüht. Also keine Limonade mehr machen.

Auf der Brücke über den Teltowkanal bleibe ich stehen. Vor einer Stunde habe ich genau an dieser Stelle begriffen, weshalb die Enten da unten im Wasser nächtigen. Den Fuchs hatte ich noch gesehen. Er tänzelte in den Schatten entlang des Instituts für Hygiene und Mikrobiologie der FU, dieses architektonischen Raumschiffs aus den 70er Jahren. Auf der Brücke angekommen, hörte ich die Ente kreischen, minutenlang. Laut und erbärmlich, ein Klang, nicht für Menschen bestimmt.

Der Fuchs hatte sie hinterrücks gepackt. Ein Tier wurde gemeuchelt von einem anderen. Ich denke an die vergangenen Tage. Dieser Meuchelmord passt wunderlich dazu. Jetzt setze ich die Sonnenbrille auf. Der neue Tag kann kommen.

Franziska Buhre

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