Berliner Schulpolitiker kriegen schlechte Noten: "Sind wir denn im Casino?"
Parlament debattiert erstmals die Reform des Zugangs zur Oberschule. Opposition lehnt Verlosung der Plätze einhellig ab. Ansonsten ist auch sie zerstritten
Außerhalb des Abgeordnetenhauses läuft die Debatte schon seit Monaten. Am Donnerstag diskutierte endlich das Parlament die größte Schulstrukturreform in Berlin seit der Wende. Lange wird das Thema dort nicht bleiben. Schon bei der nächsten Sitzung in 14 Tagen will die rot-rote Koalition die Änderungen am Schulgesetz beschließen. Viel zu schnell, meinen die Oppositionsfraktionen CDU, Grüne und FDP. Die liegen inhaltlich zwar Lichtjahre auseinander, kritisieren den rot-roten Entwurf aber alle vehement. Sie lehnen es vor allem ab, Plätze an Schulen verlosen zu lassen.
"Sind wir denn im Casino?", ereiferte sich im Plenarsaal Öczan Mutlu, der grüne Bildungsexperte. Natürlich müsse man den Schulzugang regeln, wenn es mehr Anmeldungen als Plätze gibt - "aber doch nicht mit einem Losverfahren". In ihrem jüngsten Kompromiss hatten sich die Fraktionsspitzen von SPD und Linkspartei darauf geeinigt, dass Gymnasien und die geplanten Sekundarschulen 60 Prozent ihrer Plätze selbst vergeben können, zehn Prozent an Härtefälle gehen und 30 Prozent verlost werden. Zuvor kursierten Quoten von 25 und 50 Prozent.
Außer der Verlosung war für Mutlu nicht hinnehmbar, dass es an Gymnasien weiter eine Probezeit geben und die sogar von einem halben auf ein ganzes Jahr ausgedehnt werden soll. "Das ist doch der Todesstoß für die ganze Reform." So degradiere man die Sekundarschule zum Auffangbecken für Schüler, die das Gymnasium verlassen müssen.
Die CDU setzt zwar, anders als die Grünen, die die Sekundarschule an sich begrüßen, auf ein mehrgliedriges Schulsystem. Ein Losverfahren aber lehnte CDU-Bildungspolitiker Sascha Steuer ähnlich scharf ab. "Wie kann man nur auf eine so absurde Idee kommen? Das ist ein Verbrechen an den schwächeren Schülern dieser Stadt", sagte Steuer. Die könnten zwar per Los aufs Gymnasium, würden es aber nach dem Probejahr frustriert wieder verlassen müssen. Überhaupt wolle Rot-Rot "die Gymnasien in Berlin zerstören". Auch für Mieke Senftleben (FDP) war der Streit um 25 oder 50 Prozent zu verlosende Plätze bloßes Geschacher.
Die Koalitionspartner mühten sich, ihren Kompromiss zu rechtfertigen und doch noch jeweils als Erfolg feiern zu können. Kröten seien zu schlucken gewesen, war von beiden Fraktionen am Rednerpult zu hören. Und die Sache mit dem Probejahr, das war nun mal der Punkt, "an dem wir zur Kenntnis nehmen mussten, was mit der SPD geht und was nicht", sagte der Linkspartei-Abgeordnete Steffen Zillich.
Bildungssenator Jürgen Zöllner (SPD) erging sich zur Verteidigung der Los-Quote abschließend in Berechnungen, die sich nicht spontan erschlossen. Unwiderlegbar war immerhin seine generelle Einschätzung: "Es gibt keine einfache Lösung."
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