■ Berliner Republik: Bonner bewegen sich schaf-ähnlich
Andrew Gimson (41), Korrespondent für den „Daily Telegraph“ in Berlin: Ich amüsiere mich darüber, daß die Bonner so viel Angst vor Berlin haben. Sie versuchen mit Bundestags-Kita usw. ein neues Bonn in Berlin zu gründen, was völlig unmöglich ist. Ich glaube, daß die Berliner Luft für die Politiker besser sein wird als das Klima in Bonn. Es hat ja auch ein bißchen preußischer Liberalismus in Berlin überlebt. Natürlich ist die Berliner Republik eine Bedrohung für Frankreich. Die Veränderungen in den letzten Jahren hier sind schon erstaunlich.
Ich wohne seit 94 in Berlin. 1994 hat fast jeder Politiker noch gesagt, es ist unmöglich, deutsche Truppen in den Balkan zu schicken. Jetzt sagt jeder deutsche Politiker, ja, wir müssen Truppen im Balkan haben. Die Bonner Politiker bewegen sich alle zusammen wie Schafe, leider. Diese Art von Konsenspolitik ist schaf-ähnlich. Aber natürlich spotten wir Briten, weil wir so barbarisch sind. Unsere Idee von Freiheit hat immer viel mit Unhöflichkeit zu tun.
Wir werden mit unserem Büro ins Pressehaus ziehen. Hoffentlich werde ich dann noch jeden Morgen mit meiner Zeitungshändlerin über deutsche Politik diskutieren. Sie spricht ungefähr sechs Stunden pro Tag mit Kunden. So wußte ich zum Beispiel schon vorher, daß Gerhard Schröder die Wahl gewinnt. Jetzt ist sie natürlich enttäuscht, daß Joschka nicht zu seinen Grundsätzen steht und Krieg treibt im Balkan. Ich werde also versuchen, mit diesem schamlosen Populismus volksnah zu bleiben, auch wenn das im Pressehaus sicher schwieriger wird. küp wird fortgesetzt
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