Berliner Reaktionen auf Hessenwahl: Kein Jubel bei den Großen
Die SPD erklärt Hessen zum Sonderfall. Die CDU sieht über ihr mageres Ergebnis großzügig hinweg. Sie hofft auf Schwarz-Gelb im Bund.
Auf das Wahlergebnis der eigenen Partei geht der Generalsekretär der CDU an diesem Abend eher oberflächlich ein. "Der heutige Abend kann für uns nur ein Abend der Freude sein", sagt Roland Pofalla mit einem Gesicht, das nach Jubel nicht gerade aussieht. "Wir haben alle Chancen, im Bund 40 Prozent plus x zu gewinnen", kommentiert er ein Ergebnis, das hinter dieser Zahl deutlich zurückbleibt. Lieber redet Pofalla über die neue Koalition. "Bürgerliche Mehrheit", heißt das Zauberwort. Auch im Bund sei das möglich, auch im Fünfparteiensystem.
An die Treppe im Berliner Konrad-Adenauer-Haus haben die Christdemokraten eine aufsteigende Kurve gepinnt, die mit der Hessenwahl vom Sonntag beginnt und bei der Bundestagswahl im September endet. Und verbesserungsfähig ist das Resultat aus Hessen in der Tat. Dass es in Hessen für Schwarz-Gelb reicht, ist zwar keine schlechte Vorlage für die Bundestagswahl. Weniger gut ist, dass die CDU trotz des hessischen SPD-Debakels keine Stimmen hinzugewonnen und die 40-Prozent-Marke einmal mehr verfehlt hat.
Die Parteivorsitzende Angela Merkel, die den Wahlsonntag auf dem Nahostgipfel im ägyptischen Scharm el-Scheich verbracht hat, kann sich noch nicht einmal über den Dämpfer für ihren langjährigen Rivalen Koch wirklich freuen. Nachdem Koch den vorausgegangenen Wahlkampf mit einer harten Rechtsaußen-Linie grandios verlor, hätte er mit seiner weichgespülten Mitte-Kampagne à la Merkel ruhig ein paar zusätzliche Prozentpunkte einsammeln können. Ähnlich wie bei der Bayern-Wahl im September ist der Dämpfer ein bisschen zu deutlich ausgefallen, als dass sich die Chefin wirklich darüber freuen könnte.
Es ist an diesem Wahlabend wie so oft in den vergangenen drei Jahren, seit die Union in Berlin gemeinsam mit der SPD regiert: Mangels eigener Erfolge richten sich die Christdemokraten daran auf, dass es der Konkurrenz noch viel schlechter geht. Jubel kommt bei den ernüchterten Parteimitgliedern erst auf, als Pofalla den "Wortbruch von Frau Ypsilanti" attackiert. Und was das Resultat der Sozialdemokraten angeht, zieht Pofalla eine hoffnungsvolle Parallele zur zurückliegenden Bundestagswahl: "Der Abstand zwischen CDU und SPD war beim letzten Mal gering, jetzt liegt er bei ungefähr 14 Prozent."
Vom politischen Gegner hat Merkel in den nächsten Wochen in der Tat keine Muskelspiele zu befürchten. Die Sozialdemokraten werden einige Zeit brauchen, um sich vom schlechtesten Ergebnis zu erholen, das sie je in Hessen einfuhren.
Die Niederlage war zwar längst einkalkuliert, aber insgeheim hatten viele in der Partei zumindest auf einen Achtungserfolg des tapfer kämpfenden Spitzenkandidaten Thorsten Schäfer-Gümbel gehofft. Mit ein bisschen Geschick hätte man das als Kehrtwende verkaufen können - stattdessen geht es für Kanzlerkandidat Frank-Walter Steinmeier jetzt mit einem kompletten Desaster ins Superwahljahr.
Um Punkt halb sieben ist es Parteichef Franz Müntefering, der im Willy-Brandt-Haus den Genossen das Abschneiden erklären muss. Kaum mehr als fünf Minuten bleibt er, spricht kurz von einem "schlechten, sehr schlechten Ergebnis" und versucht, die Wahl als "Denkzettel" und als "Nachklapp für das Jahr 2008" herunterzuspielen. Andrea Ypsilanti, die kurz zuvor als Partei- und Fraktionsvorsitzende zurückgetreten war, zollt er "Respekt", ihrem wahrscheinlichen Nachfolger Schäfer-Gümbel bescheinigt er einen "fantastischen Wahlkampf". Und damit in der Parteizentrale wenigstens mal ein Hauch gute Laune aufkommt, sagt er mit Blick auf das magere Ergebnis von Roland Koch: "Er ist auch nicht schöner geworden."
Ganz schnell abhaken - das ist Münteferings Devise. Doch er weiß auch, dass es ganz so einfach nicht werden dürfte. Bei der Bundespräsidentenwahl Ende Mai steht der Partei die nächste Niederlage bevor, intern rechnet jedenfalls niemand mehr damit, dass Gesine Schwan demnächst im Schloss Bellevue residieren wird. Anschließend droht in den Landtagswahlkämpfen in Thüringen und im Saarland abermalig die Debatte um rot-rote Koalitionen. Und nebenbei muss man ja auch noch das Land mitregieren. Da bleibt Kanzlerkandidat Steinmeier wenig Spielraum zur persönlichen Profilierung.
Wer will da schon Wahlkampf machen? Nicht viele - das ahnt auch Müntefering. Ohne eine aktive Basis ist das Kanzleramt aber nicht zu holen. Deshalb sagt er am Ende einen Satz, der ausdrücklich nicht an die Funktionsträger der Partei gerichtet ist: "Mein Dank geht an alle, die sich da in Hessen reingeschmissen haben."
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