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Archiv-Artikel

Berliner Platten Unter anderem das Chanson: auch mal klassisch mit dem einsamen Klavier bei Corinne Douarre oder kurzgeschlossen mit der Moderne bei den Monika-Bärchen

Höchstwahrscheinlich muss das Chanson gar nicht gerettet werden, sondern befindet sich in seinem Heimatland unter dem Zusatz „nouvelle“ in allerbestem Zustand. Aber sollte das Chanson mal eine Schwächeperiode haben, einfach mal einen miesen Tag, dann könnte man Corinne Douarre vorschicken, es wieder aufzupäppeln. Die studierte Architektin pendelt seit einigen Jahren zwischen ihren beiden Heimatstädten Paris und Berlin – und hat irgendwo auf halbem Wege eine ganz eigene Herangehensweise an das französische Nationalheiligtum gefunden.

Auf „ciel XXL“, ihrem dritten Album, versetzt sie gepflegtes Pathos und geschmeidige Melodieführung mit elektronischen Einflüssen. In „La mer aux trousses“ plätschert nicht der Regen, aber tröpfelt dafür ein eleganter, fast schon geschmäcklerischer Beat. Schon anschließend aber, in „La mémoire m’ oublie“, stellt sie ihre Stimme ganz klassisch neben ein einsames Klavier, das viel Raum lässt zwischen den einzelnen Noten. Später experimentiert sie zusätzlich zu den Rhythmen aus dem Rechner auch mit deutschen Sprachfetzen. Die zweite Heimat hat weitere Spuren hinterlassen: „Little Man of Berlin (Ampelmännchen)“ ist eine Hymne auf das DDR-Überbleibsel und musikalisch eine Hommage an die Neue Deutsche Welle, „Une Ville (Plauen)“ nicht nur ein Song über ein Städtchen im Osten dieses Landes, sondern kombiniert auch noch ein feierliches Klavier mit einer fies quer laufenden Gitarre. Kurzum: Mitunter versucht Douarre allzu Gegensätzliches zu vereinbaren und das Chanson um jeden Preis ins 21. Jahrhundert zu zerren. Die Infusion mit aktuelleren Klängen bekommt ihm zwar weitgehend ausgezeichnet, aber manchmal vollzieht sich die Modernisierung dann doch zu berechnend und arg absichtsvoll.

Und kommt, wenn man genau ist, ja eigentlich auch zu spät. Denn natürlich hat das Chanson, wenn auch meist nicht unter diesem Namen, längst den Anschluss geschafft ans digitale Zeitalter. Dafür mitverantwortlich ist auch die Berliner Kleinstplattenfirma Monika, vor allem ihr Aushängeschild Barbara Morgenstern. Die, Ehre wem Ehre gebührt, beschließt denn auch die aktuelle, das zehnjährige Bestehen feiernde Kompilation des Labels „Monika Bärchen: Songs for Bruno, Knut & Tom“.

Vorher aber werden die erwartbaren Tiefen zwischen Song und Track vermessen: Robert Lippok hat einen flotten Tanzbodenfüller programmiert, Chica and the Folder rumpeln ziemlich düster, die Quarks sind verhuscht-verhallt wie immer, und Masha Qrella versucht sich an „Goodnight Lovers“, einer zur Unrecht eher vergessenen Single von Depeche Mode. Gudrun Gut, die Monika-Chefin höchstselbst, hat knisterndes Vinyl gesampelt und daraus ein polyrhythmisches Experiment zwischen Polka und Club gebastelt. Alle Tracks sind exklusiv aufgenommen für die Kompilation und decken ein gewaltiges Spektrum ab. Bis schließlich zum Abschluss Barbara Morgenstern zeigt, mit Klavier und mäanderndem Rhythmus, fragil, verspielt und dann doch stabil und handfest, wie es so weitergehen könnte mit dem Chanson. THOMAS WINKLER

Corinne Douarre: „ciel XXL“ (KOOK/Broken Silence) Konzert Sa., Grüner Salon, 20 Uhr

„Monika Bärchen: Songs for Bruno, Knut & Tom“ (Monika Enterprise/Indigo)