Berliner Platten : Fortbildungsprogramm für Bildungspolitiker: Fuhrman und Bendt betrachten die Lage aus der letzten Bank, und Alpa Gun ist Chauffeur und Patriot
Es gibt ja nur eins, was Eltern und Bildungspolitiker noch mehr fürchten als die nächste Pisa-Studie: deutsche Rapper. Vornehmlich auch noch solche aus unserer schönen Hauptstadt, die besonders unflätig daher sprechsingen können und damit auch noch auf der Titelseite der Bravo landen. Als wüssten sie das nur zu genau, haben sich Fuhrman und Bendt auf dem Cover von „2 Chaoten“ mitten im Zentrum dieser kulturellen Auseinandersetzung eingenistet: im Klassenzimmer. Dort hocken sie, natürlich, als „Chaoten aus der letzten Reihe“.
Tatsächlich schaffen es die beiden, die Perspektive ihrer Zielgruppe einzunehmen. Marktführer wie Bushido und Sido entwerfen eine Kunstfigur aus Kleinkriminalität und Konsumoverkill, Gewalt und Porno, ein absurdes, aus Comicwelten zusammengesetztes Traumbild. Auch das findet statt bei Fuhrman und Bendt, auch sie stilisieren ihren Background zum Ghetto („Ich weiß, wo ich herkomme, ausm Hochhaus mitm Kreideputz“), in dem man sich Respekt verschaffen muss („Ich bin hart, ich bin groß, ich geh meinen Weg für die Hood, für die Jungs“). Da wird zwar auch die Polizei gefickt, ebenso wie das „alte Leben“ und die anderen sowieso. Aber diesen an Hiphop-Klischees angepassten Alltagsbeschreibungen setzen die beiden erfrischende Realitätsnähe entgegen: Da drücken sie eben auch mal die Schulbank, zu Hause im Kühlschrank warten nur Reste und in der Zeitung sterben Kinder, weil sie ihre Sneakers nicht rausrücken wollten. Manchmal aber genießen Fuhrman und Bendt auch einfach einen schönen Sommertag. Dann reimt sich „hübscher Bikini“ auf „süß wie Granini“, „Badelatschen“ auf „Bermudas“, und eine Gratwanderung wird erfolgreich abgeschlossen: Fuhrman und Bendt sind die bösen Rapper mit dem netten Kern, die resozialisierbaren Jugendlichen, die sich am eigenen Schopf aus dem Hartz-IV-Sumpf ziehen wollen. So schreiben Fuhrman und Bendt das klassische Aufstiegsmärchen des Rap noch einmal neu und brechen es runter auf bundesdeutsche Verhältnisse.
Beim selben Label, dem von Sido und B-Tight gegründeten Sektenmuzik, kommen nicht nur Fuhrman und Bendt heraus, sondern auch ein Alpa Gun. Der Chauffeur des führerscheinlosen Sido deckt eine weitere interessante Schnittstelle ab: „Bei uns im Viertel gibt es alle Nationalitäten, wir nennen es Ghetto, ihr nennt es eine asoziale Gegend.“ In Songs wie „Patriot“ und „Ausländer“ berichtet der „Türke mit unbefristetem Aufenthalt“ vom Leben zwischen den Kulturen, von zerrissenen Identitäten. Im Duktus ist das zwar der bekannt plumpe Gangsta-Rap, wenig elegant und rhetorisch eher stocksteif. Die Position aber, die Alpa Gun einnimmt, ist doch ziemlich spektakulär: „Ich bin ein Patriot, der auch nur dieses Land verteidigt.“ Für den Deutschtürken und überzeugten Schöneberger entstehen dabei so interessante wie prototypische Verwicklungen: „Ich bin kein Faschist, ich bin hier nur so aufgewachsen/ Wenn ich drüben im Osten bin, kenn ich auch ein paar Glatzen.“ Eigentlich ist das kein Rap, sondern Fortbildung für die Bildungspolitiker. THOMAS WINKLER
Fuhrman und Bendt: „2 Chaoten“ (Sektenmuzik/Groove Attack) Alpa Gun: „Aufstand auf den billigen Plätzen“ (EP), „Ausländer“ (Single) beide Sektenmuzik