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Archiv-Artikel

Berliner Platten Das Ohr am Osten: Alexander Veljanov entdeckt schwermütig sein heimisches Mazedonien, und auf der neuen Russendisko wird streng ukrainisch geschunkelt

Als Sänger von Deine Lakaien beschäftigt sich Alexander Veljanov nicht nur regelmäßig mit der Stabilisierung seines legendären Haarnestes, sondern vor allem mit der Übersetzung von Electropop und Gothic-Einflüssen in deutsche Schwermut. Für sein drittes Soloalbum „Porta Macedonia“ allerdings hat sich der aus Mazedonien stammende Veljanov nun erstmals bewusst mit seinen Wurzeln beschäftigt, ist in die alte Heimat gereist und hat dort mit dem Musiker Goran Trajkovski gearbeitet.

Doch keine Angst: Beim Wehmuts-Bariton Veljanov ist nun beileibe nicht die ungehemmte balkanische Fröhlichkeit ausgebrochen. Quietschfideles Rumpeln und Pumpeln findet sich ebenso wenig wie verkaterter Trübsinn. Die osteuropäischen Einflüsse sind nur ein Schatten, eine Folie, durch die Veljanov seinen bekannten Kosmos betrachtet. Die Folge sind schwerblütige, mitunter zähe Songs, mal in Englisch, mal Deutsch, die mit Instrumenten wie Krummhorn, Kaval oder Zurla aufgehübscht sind. Der Humor allerdings, der in letzter Konsequenz das Pathos von Deine Lakaien erst erträglich machte, den sucht man auf „Porta Macedonia“ ebenfalls leider vergeblich. So mag dieses Album eine wichtige Aufarbeitung für Alexander Veljanov selbst sein, musikalisch hat er auch im Alleingang schon Besseres abgeliefert, sein Country-beeinflusstes „Secrets of the Silver Tongue“ zum Beispiel.

Ebenfalls nach Osten blickt, das allerdings ist keine Überraschung, die neue Ausgabe der „Russendisko“. Unter dem Titel „Ukraine Do Amerika“ haben Wladimir Kaminer und Yuriy Gurzhy wieder eine Sammlung osteuropäischer Schunkel- und Stimmungshits zusammengestellt, nur mal unterbrochen von einer tränenschweren Schnulze. Diesmal beschränkt sich die Auswahl auf ukrainisches Liedgut, weil, behaupten die Macher, „die Ukrainer viel schnellere und lustigere Musik als die Amis“ machen. Schon das stimmt zwar nur, wenn man etwa Thrash Metal aus Florida nicht mit einbezieht, aber dass „die ukrainische Sprache gut zum Nachsingen geeignet“ sei, das kann nach dem Genuss der CD getrost ins Reich der Fantasie verwiesen werden. Mein Gott, es ist doch schon schleierhaft, wie man Bandnamen wie Chornobryvtsy überhaupt aussprechen soll.

Andererseits aber ist es auch egal, was zum Teufel die da singen. Wie immer bei der „Russendisko“ wird ein bewusst klischeegetränkter Umgang mit osteuropäischem Kulturgut gepflegt. Denn dank Kaminer und Konsorten wissen wir: Der Osteuropäer trinkt wie ein Loch, feiert wie ein Weltmeister und wird zum Abschluss dann melancholisch. Als Soundtrack dazu taugt natürlich auch diese CD: Die zünftigen Bläser von Perkalaba machen noch einer Ska-Band Konkurrenz, bei Svobod wird gepfiffen wie im seligen Techno-Tresor, VV covern AC/DC und Chornobryvtsy beweisen, dass Ukrainer sogar vollkommen verkifften Reggae können. Hier allerdings würde man gern verstehen, was gesungen wird, denn der Refrain klingt wie die „König der Löwen“-Plattitüde „Hakuna Matata“. Droht demnächst „Russendisko Goes Afrika“? THOMAS WINKLER

Alexander Veljanov: „Porta Macedonia“ (Premium/Soulfood) live 16. 10. im Admiralspalast

Russendisko: „Ukraine Do Amerika“ (Russendisko/Buschfunk), Russendisko 25. 10. Kaffee Burger