Berliner Platten : Wohlfühlmusiken: Jan Jelinek sucht sich ein Plätzchen in der Sci-Fi-Vergangenheit, und Triband probieren es fingerschnippend mit dem Jazz
Letztens mal wieder im Plattenladen gewesen. Dabei feststellen dürfen: 1) Es gibt sie noch, und 2) hat man dort ein Fach „Wellness“ eingerichtet. Zugegeben: Der Plattenladen lag in der allertiefsten Provinz und war nicht gerade so sortiert, dass sich ein Spex-Leser dort hätte heimisch fühlen können.
Wie auch immer: Die musikalische Kategorie Wellness dürfte sich letztendlich wohl erst im Auge des einzelnen Betrachters konfigurieren. Manch bärtiger Biker hat da womöglich ganz eigene Vorstellungen, der moderne Mensch allerdings lässt sich vornehmlich elektronisch entspannen. Vor lauter Lounge und Chill-out aber drohte das Genre sich in der eigenen Beliebigkeit aufzulösen: Jan Jelinek, verdienter Berliner Laptop-Artist, sucht auf „Kosmischer Pitch“ nun das Heil in einem Rückgriff auf die Vergangenheit. Schon der Albumtitel weist auf die Sci-Fi-Verliebtheit des Krautrock hin, Tracks nennen sich „Lemminge und Lurchen Inc.“ oder „Lithiummelodie 1“, und auch die Sounds scheinen wie aus den seligen Seventies importiert, auch wenn sie wahrscheinlich kaum auf altersschwachen Moogs, sondern wohl digital entstanden sein dürften. Auch die stets sich selbst rekapitulierende Struktur stammt aus den glorreichen Zeiten von Tangerine Dream und Amon Düül: Ein Takt scheint sich endlos zu wiederholen, kreist wie betäubt um sich selbst, bis der Hörer hypnotisiert ist und sich aus der Monotonie schließlich umso eindrücklicher Variationen schälen, sanfte Modulationen, minimale Veränderungen. So wie der bisherige Jelinek, der zwar Jazz sampelte, den aber so lange bearbeitete, bis nur mehr Knistern und Knacksen übrig blieb, hört sich das nicht mehr an und es wird auch in Bandbesetzung mit Andrew Pekler an der Gitarre und Hanno Leichtmann am Schlagzeug live aufgeführt (Release Party am 27. 10., 23 Uhr, Watergate). Die grundsätzliche Idee aber bleibt erhalten: Hört man dieser Musik lange genug zu, hört man sie nicht mehr. Diese Musik sucht nach ihrer eigenen Aufhebung.
Mit gerade entgegengesetztem Anspruch kommt man im Jazz, auch wenn man das dort nicht so gerne hört, bisweilen zum gleichen Ergebnis. Wohltemperierter, leicht unterkühlter Gebrauchsjazz dient längst als Wohlfühlmusik für Menschen, denen New-Age-Geklingel zu esoterisch und Kuschelrock entschieden zu prollig ist. Diese Klientel bedienen auch Triband auf ihrem Debüt „No Sleep“, mag das auch ganz und gar nicht die Absicht des Trios sein. Unter Mithilfe solch prominenter Namen wie Edo Zanki will man sich auch nicht so leicht geschlagen geben, jagt ein paar seltsame Beats durch den Computer (auf dem Titelsong) und gibt sich experimentell („Introduction To Elvis“), verharrt aber dann doch weitgehend im abgesicherten Kanon: Gestopfte Blechblasinstrumente müssen sein, glockenheller Gesang in Englisch ist Pflicht, Fingerschnippen im Midtempo kommt immer gut, lateinamerikanische Einflüsse sind möglich. Aber, was will man mehr, es funktioniert: Letztens mal wieder wohl gefühlt (Triband heute im A-Trane, 22 Uhr). THOMAS WINKLER