Berliner Platten : Poser unter sich: Auch wenn sich die Straßenrapper Bushido und Taichi rechtschaffen bemühen, hat doch Frank Zander in der Geschäftslage die goldene Nase weiter vorn
Musik, so eines der beliebtesten Missverständnisse der Kunstrezeption, sei der direkte und unverfälschte Ausdruck von wahrhaftigen Gefühlen. Ein halbe Stunde Formatradio und man weiß, dass Musik durchaus der direkte Ausdruck von purer Geldgier sein kann. Und ein Nachmittag mit Taichi, Bushido und Frank Zander beweist, dass Musik mitunter erst dann gut wird, wenn der Musiker ein Großmeister in der großen Kunst des Rollenspiels ist.
Der Pate aller Poser ist natürlich Bushido, der mit seinem dritten Album innert Jahresfrist versucht, seinen Status als bundesweit bekannter Vorzeigeprolet finanziell optimal auszuwerten. Auf „Staatsfeind Nr. 1“ perfektioniert der Rapper sein Image als Albtraum einer satten Republik, verkauft Koks an Studenten und grüßt seine „Knastis Günter, Harry und Eddie“. Die Unterschicht schlägt zurück, wünscht der Mehrheitsgesellschaft „Hodenkrebs“ und bringt die Lage auf den Punkt: „Hartz IV macht mich reich, ich hab nichts gegen den Staat / Allen geht es scheiße, ich wische mir mit Knete den Arsch.“ Aber der bekennende Tempelhofer ist auch in der Lage, ein romantisches Liebeslied einzustreuen oder sich in „Engel“ um frisch gebackene Eltern zu sorgen. „Ich fühl mich sehr erwachsen“, rappt er, „ich bin schon 27.“ Es sind mittlerweile viele Rollen, in die Bushido schlüpft, der Poser, der am 11. November im Frannz-Club auftritt.
In diese Liga möchte Taichi erst noch aufsteigen. Der versammelt auf seinem zweiten Album „Schnell Imbiz“ zwar jeden zweiten halbwegs fähigen und noch unbekannten Berliner Rapper von Kid Kobra über She-Raw bis Sha-Karl, kackt aber dann in die bekannten Ecken, wenn auch überzeugend unflätig. In Nebensätzen offenbart er einen dann doch überraschenden Hang zur religiösen Metapher: „Das Leben ist hart wie Konsonanten / Trotzdem leb ich jeden Tag, um abends Gott zu danken.“ Mit Hilfe des Herrn scheinen dem Berliner Straßenrap nun tatsächlich auch die überfälligen Reflektionsleistungen zu gelingen: „Musik ist für mich mehr, als stumpfen Scheiß aufzunehmen.“ Der Geist war also willig, die Zunge aber ist weiterhin schwach und verharrt weitgehend in ausgedienten Klischees.
Geradezu blässlich allerdings wirken die Bemühungen des Nachwuchses im Vergleich zum Altmeister Frank Zander. Der ist schon lange weniger Musiker als eher Geschäftsmann, der mit Tönen handelt, bei Bedarf Chillout-Musik verlegt oder Glückwunsch-CDs vertreibt. Logisch, dass so einer die trotz medialer Ignoranz erfolgreiche Idee, ausgelutschte Schlager im Rammstein-Stil aufzunehmen, nochmals auflegt. Der Witz funktioniert auf „Rabenschwarz #2“ wie bei der Premiere: Mit tiefer gelegten Breitwandgitarren unterlegt und vorgetragen mit Kindermörderraspeln in der Stimme ergeben sich bei „Ganz in Weiß“ oder „Liebeskummer lohnt sich nicht“ (im Duett mit Nina Hagen) ganz neue, sehr eigene Bedeutungszusammenhänge. Allerdings: Jeder Witz läuft sich mal tot, wenn er zu oft erzählt wird, und jedes Posing wird irgendwann zur leeren Geste. THOMAS WINKLER