Berliner Platten : Die Neuzugänge im hiesigen HipHop-Kasperltheater: Die Puppetmastaz sind nicht mehr ganz so komisch, Zwang würdigt den Bierpinsel, und Rhymin Simon hat natürlich den Größten
Vor drei Jahren waren die Puppetmastaz genau das, was der HipHop nötig hatte. Der Mummenschanz um den rappenden Maulwurf Mr. Maloke und den lispelnden Hasen Snuggels übertrieb die genreeigenen Klischees ins Lächerliche und dekonstruierte die Mechanismen des Rap-Geschäfts. Die Handpuppentruppe schien auf dem besten Wege, den HipHop auf ein allgemein erträgliches Maß zurecht zu stutzen – auf Kasperltheater-Größe. Doch statt Karriere zu machen und Gangsta-Rappern weltweit den Spiegel vorzuhalten, wurde man vom international operierenden Major-Label auf die Straße gesetzt. Bei ihren letzten Auftritten, registrierten Beobachter, schienen die Protagonisten denn auch leicht ramponiert, das Futter quoll aus aufgeplatzten Nähten. Ähnliches gilt für ihr Comeback-Album „Creature Shock Radio“: Es wirkt wie ein Witz, der beim zweiten Erzählen nicht mehr ganz so komisch ist. Den Musikern hinter den Puppen, darunter Patric Catani oder Jason Beck, ist ein gutes Rap-Album gelungen, das alle Versatzstücke des Genres auf handwerklich höchstem Niveau rekapituliert. Der Novelty-Effekt aber, der ist verflogen.
Vor allem authentisch gibt sich dagegen Zwang. Der stammt aus der Main-Theme-Posse um She-Raw und Serk, die gerade auf Viva in der Fake-Reality-Soap „Unser Block“ zu bewundern sind. Auf seinem Debüt gibt es für den 24-Jährigen nur ein beherrschendes Thema: „Die Straßen der Hauptstadt“, wie der Albumtitel verspricht. Oder, genauer, „Berlin 2005, Südwestberlin“. So viel Verortung muss sein, denn so viel Lokalkolorit war selten: Sogar der Bierpinsel hat seinen Auftritt. Glaubt man Zwang, ist die soziale Lage rund um das Steglitzer Wahrzeichen bei weitem nicht so beschaulich wie bislang angenommen, sondern fast so wie in der Bronx. Pflichtschuldig werden zwar nahezu sämtliche Berliner Bezirke erwähnt und mit „Berlin Part II“ gibt es gar eine veritable Berlin-Hymne. Aber außer Hartz-IV-Romantik hat Zwang nicht viel beizutragen: Natürlich lässt er sich von „verfickten Schwuchteln“ nicht „verarschen“, raucht auch gern mal einen, wenn die „Spießer“ nichts dagegen haben, und träumt von willigen Frauen. Kurz, wie er selbst rappt: „Hier wird viel erzählt, doch das meiste ist hohler Scheiß.“
Von Rhymin Simon wird man dagegen ganz bestimmt nicht mit Authentizität belästigt. Auf „Kingpintin‘“ wird der Porno-Rap in solch schwindelerregende Höhen getrieben, dass man schon beim Zuhören mitunter erröten muss. Songs wie „Ich riech Muschi“, „Reite mit uns“ oder „Lasst uns chillen, Schlampen“ tragen nicht nur Titel wie billige Bumsstreifen, sondern glänzen auch mit solchen Drehbüchern: Ob beim Ausflug nach „Malle“ oder beim Hertha-Spiel, immer geht es nur um das eine und das wird durchdekliniert von Anal bis Sodomie. Dass die darunter liegenden Beats oft recht fantasievoll daher rollen, überhört sich da leicht. So perfekt füllt Rhymin Simon seine Rolle vom dauerbereiten, sexistischen Superstecher aus, dass er fast eine überzeugendere Sprechpuppe abgibt als selbst die Puppetmastaz. THOMAS WINKLER