Berliner Platten : Musik als guter Freund: die Debütalben von Saroos und Radio Citizen und der erste Teil der „Collectors Series“
Manchmal ist Musik wie ein guter Freund. Ist einfach so da. So wie die Musik von Saroos– unaufdringlich und freundlich tröstend und beruhigend. Selbst die wenigen Momente, in denen sich was Avantgardistisches Bahn bricht, selbst wenn der Beat in sich zusammenfällt oder es gar zu seltsam daherknuspert, ist diese Debütalbum vornehmlich nett in nahezu allen Lebenslagen. Zwar zu rhythmisch für echten Ambient, andererseits zu traumverloren für den Dancefloor, aber so mitten zwischen diesen sich widersprechenden Anforderungen machen es sich Saroos extrem gemütlich. Diesen nur gelegentlich mit Vocals angereicherten Versuch, eine Triphop- Atmosphäre auch ohne die lange schon zum Klischee verkommene verrauchte Frauenstimme nachzustellen, haben Florian Zimmer und Christoph Brandner unternommen. Zimmer stammt aus München, lebt in Berlin und ist Mitglied von ISO 68. Brandner ist noch in München und sonst bei Lali Puna aktiv. Beide gehören im weitesten Sinne zum Weilheimer Kosmos um The Notwist oder Console. Auch wenn sie auf Gitarren verzichten und sich allein auf die Elektronik stützen, haben sie doch viel von der dort herrschenden Gemütlichkeit gelernt, die man ruhig eine bayerische nennen kann. So kommt es, dass die gerade mal etwas mehr als 38 Minuten des Albums einerseits nicht enden zu wollen scheinen, so gemächlich schieben sie sich daher, andererseits aber auch so schnell verfliegen, dass Suchtgefahr droht.
Einen nicht allzu weit entfernten Acker bestellt Niko Schnabel. Auf „Berlin Serengeti“, dem ersten Album seines Projekts Radio Citizen, verwendet der erklärte Coltrane-Fan allerdings entschieden mehr Originalinstrumente und lässt so auf dem mitunter kargen Boden von Dub und Triphop bisweilen unerwartete Blumen erblühen. Denn nicht nur Soul ist allgegenwärtig und Jazz unüberhörbar, auch Funk und Reggae, afrikanische, arabische oder lateinamerikanische Rhythmen mischen sich ein. Schnabel, früher auf Tour mit den von Krautrockern zu Weltmusikern gewandelten Embryo, spielt selbst Klarinette und Flöte, die karibische Kalimba und das eigentlich arg überstrapazierte Saxofon. Die ebenfalls schon für Embryo tätige Bajka steuert ihre wandlungsfähige Stimme bei und das fast schon übertrieben abwechslungsreiche Ergebnis setzt sich selbstbewusst zwischen alle verfügbaren Stühle: Denn nur dort ist noch Platz zum Tanzen.
Den sucht auch die „Collectors Series“, eine vom Erfinder der DJ-Kicks Stefan Strüver herausgegebene neue Reihe von DJ-Mix-CDs, die sich allerdings der nun ja auch einige Jahrzehnte alten Geschichte des Genres widmen soll. Die zweite Folge bestreitet der Berliner DJ Kaos, der zur Unterstützung Salvatore Principato heran zog, den Sänger der in den Achtzigerjahren aktiven und mittlerweile legendären New Yorker Band Liquid Liquid. Ausgegraben hat man alte, unbekannte bis ultrarare Tracks, allesamt ziemlich funky, fast immer in mittlerem Tempo, von solchen DJ-Dauerbrennern wie Logic System, aber auch obskure Stücke wie eines von Frank Zander. Alte Freunde eben. THOMAS WINKLER