Berliner Nahverkehr: SPD entdeckt das S-Bahn-Chaos
Die Sozialdemokraten fordern den Rücktritt des Aufsichtsrats der S-Bahn, Entschädigungen auch für Studierende und mehr Einfluss des Senats.
Die SPD-Fraktion setzt Bahn-Chef Rüdiger Grube unter Druck: Der solle den S-Bahn-Aufsichtsratsvorsitzenden Hermann Graf von der Schulenburg entlassen. Schulenburg sei "mindestens ebenso verantwortlich für das Herunterwirtschaften der S-Bahn wie die Geschäftsführung", so Christian Gaebler, parlamentarischer Geschäftsführer der SPD-Fraktion im Abgeordnetenhaus.
Die Geschäftsführung der S-Bahn musste Anfang Juli abtreten, nachdem bekannt geworden war, dass die Züge seltener in die Werkstatt zur Sicherheitsüberprüfung kamen als zugesagt. Der Betrieb der S-Bahn brach auf vielen Strecken zusammen, erst im Dezember sollen die Bahnen wieder nach Plan fahren.
Neben Schulenburg macht die SPD-Fraktion auch Ulrich Thon für das Desaster verantwortlich. Thon war der für die Produktion verantwortliche Geschäftsführer der S-Bahn und setzte den Sparkurs innerhalb des Unternehmens um. Nun hat er einen anderen Posten im Bahn-Konzern, zu dem auch die S-Bahn gehört. Er ist nun bei der DB Regio deutschlandweit für die langfristige Fahrzeugplanung zuständig und "federführend für das Fahrzeugdesaster" verantwortlich, so Gaebler. Thon und Schulenburg hätten "beide ausreichend ihre Unfähigkeit für solch verantwortungsvolle Positionen bewiesen".
Ingeborg Junge-Reyer (SPD), die als Senatorin für Stadtentwicklung auch für Verkehr zuständig ist, ließ die Forderungen aus ihrer Fraktion unkommentiert. "Die Senatorin möchte sich zu Personalangelegenheiten bei der S-Bahn nicht äußern", so ihre Sprecherin.
Die Grünen unterstützen die SPD-Forderungen. "Endlich sind sie auch drauf gekommen", so die Verkehrspolitikerin Claudia Hämmerling. Sie hoffe, dass die Berliner SPD sich auf der Bundesebene ihrer Partei mit diesen Forderungen durchsetzen könne. Die Deutsche Bahn gehört dem Bund. Die Bundes-SPD ist von ihren Plänen zur Privatisierung der Bahn noch nicht endgültig abgerückt, die Berliner SPD war innerparteilich stets dagegen.
Die SPD-Fraktion im Abgeordnetenhaus fordert zudem Entschädigungen für alle S-Bahn-Kunden. "Studierende mit Semesterticket müssen genauso behandelt werden wie Abokunden und den anteiligen Monatsbetrag erstattet bekommen", so Gaebler. Die Geschäftsführung der S-Bahn will dagegen nur Inhaber eines Jahresabos entschädigen. Diese sollen im Dezember frei fahren dürfen. Studierende sollen davon nicht profitieren - denn deren Ticket sei ja ohnehin deutlich günstiger, argumentiert die S-Bahn.
Gaebler verlangt von Bahn-Chef Grube auch, dass die "völlig unrealistischen Sparvorgaben und Gewinnerwartungen" an die S-Bahn "offiziell und vollständig zurückgenommen werden". Die Vorgaben seien der verzweifelte Versuch, die Bilanz der Bahn fit für den Börsengang zu machen. Doch so sei "kein sicherer und zuverlässiger S-Bahn-Verkehr möglich".
Schließlich fordert die SPD-Fraktion auch mehr Einfluss für Berlin und Brandenburg auf die S-Bahn. Solange das Unternehmen im Auftrag der Länder fahre, sollten die auch je ein Mitglied für den Aufsichtsrat bestellen können. Das Ziel ist dabei laut Gaebler, "zukünftig eine bessere Kontrolle über die Erbringung der Leistungen im Unternehmen zu haben".
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