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Archiv-Artikel

Berliner Luft Grenzwerte ohne Bedeutung

Seit 1. Januar dieses Jahres gilt eine neue EU-Verordnung zur Luftverschmutzung in Städten. Der Grenzwert von 50 Mikrogramm Schwebstaub pro Kubikmeter darf demnach nur an höchstens 35 Tagen im Jahr überschritten werden. „Wir werden nicht in der Lage sein, diese Grenzwerte einzuhalten“, sagte der damalige Stadtentwicklungssenator Peter Strieder (SPD) schon im November 2003. Er wird Recht behalten. Dass die Hauptstadt die Marke in diesem Jahr knackt, gilt als sicher.

Seit 1999 war die neue Richtlinie aus Brüssel bekannt, schon Anfang 2000 folgte die Gesetzgebung in Bundestag und Bundesrat. Doch in Berlin stellte Strieders Nachfolgerin Ingeborg Junge-Reyer den Luftreinhalteplan erst im November vergangenen Jahres vor – und dessen Instrumente werden oft erst ab 2008 greifen. Dazu gehört auch eine Umweltzone: Autos und Lastwagen, welche die Schadstoffklasse Euro II nicht erfüllen, dürfen dann nicht mehr innerhalb des S-Bahn-Ringes fahren.

Bundesumweltminister Jürgen Trittin warf den Bundesländern nun vor, nach dem Motto „Es ist noch immer gut gegangen“ Maßnahmen zur Reduzierung der Luftverschmutzung versäumt zu haben. In Berlin waren die Feinstaubwerte dieses Jahr bereits an 25 Tagen zu hoch, diesen Spitzenwert hält die Frankfurter Allee.

„Den Luftreinhalteplan hätte man schneller machen müssen, aber er kam rechtzeitig und früher als in anderen Städten“, sagt dagegen Manuela Damianakis, die Sprecherin von Ingeborg Junge-Reyer. Die Stadtentwicklungssenatorin habe die Initiative nach dem Rücktritt Strieders mit „großem Verve“ vorangetrieben. Außerdem habe Berlin seit 2000 etliche Messungen betrieben und besitze „eine gute Datenbasis und Erfahrungswerte“, um auf die Schadstoffbelastung zu reagieren.

In der Innenstadt verursacht auch der Autoverkehr durch Abgasruß und Reifenabrieb die hohe Konzentration der Staubpartikel. Sie sind weniger als 10 Tausendstel-Millimeter groß, können noch andere Schadstoffe anlagern und tief in die Lunge eindringen. Die gesundheitlichen Folgen reichen von Husten, Atemnot oder Bronchitis bis hin zu Lungenkrebs. Bundesweit sterben jährlich rund 65.000 Menschen an den Folgeschäden. PATRICK BAUER