Berliner Kita will Eltern scannen: Meinen Abdruck für mein Kind
Der evangelische Kichenkreis Stadtmitte will in einer Kita einen Fingerabdruck-Scanner für Eltern testen. Doch der kircheneigene Datenschutzbeauftragte bezweifelt die Rechtmäßigkeit des Projekts
Eltern sollen zukünftig ihre Kinder nur nach Abgabe ihres Fingerabdrucks aus dem Kindergarten abholen können. Das ist die Idee des evangelischen Kirchenkreises Berlin Stadtmitte. Das "biometrische Zugangssystem" soll jetzt als Pilotprojekt im Zion-Kindergarten an der Griebenowstraße erprobt werden.
Das System ordnet den Vornamen des Kindes den Fingerabdrücken der Eltern zu - und speichert deren Bring- und Abholzeiten für eine Woche. "Unser Ziel ist es, mehr Sicherheit für die Kinder zu schaffen", sagt Kathrin Janert, Geschäftsführerin der Kitas im Kirchenkreis. In den Zion-Kindergarten gingen 85 Kinder, da werde es schon mal unübersichtlich. Sollte das System funktionieren, könne es auf weitere 16 Kitas des Kirchenkreises ausgeweitet werden.
Zu der Frage, ob das Elternfinger-Scannen rechtlich unbedenklich ist, wollte sich der Berliner Datenschutzbeauftragte nicht äußern, weil er für Kirchenbelange nicht zuständig sei. Er verwies auf den Datenschutzbeauftragten der evangelischen Kirche, Detlef Rückert. Dieser bezweifelt die Rechtmäßigkeit des Pilotprojekts. "Im Datenschutzgesetz der Evangelischen Kirche Deutschland ist der Bezug von möglichst wenig personenbezogenen Daten festgeschrieben", erklärt er. Die Notwendigkeit des Datenbezugs sei eine Frage von Verhältnismäßigkeit. "Im Fall von Kindergärten bezweifle ich, dass es verhältnismäßig ist, die biometrischen Daten der Eltern zu speichern", sagt Rückert.
Einen Schritt weiter geht Datenschutzexperte Thilo Weichert. Die Initiatoren seien "von allen guten Geistern verlassen". Er könne sich nicht vorstellen, wie das rechtlich machbar sein solle. Vor allem die Speicherung der Daten über den Zeitraum einer ganzen Woche sei fragwürdig. "Daten sollten nur so lange gespeichert werden, wie sie erforderlich sind - und dieser Zeitraum endet jeden Tag genau dann, wenn das Kind abgeholt wird."
Christine Schimansky-Geier, Leiterin des Zion-Kindergartens, sieht in den gespeicherten Daten vor allem eine rechtliche Absicherung der Erzieherinnen und die Chance, im Notfall Klarheit über den Verbleib eines Kindes zu haben. "Erzieher können auch nicht überall ihre Augen haben."
Hintergrund des gesteigerten Sicherheitsbedürfnis der evangelischen Kindergärten ist ein Vorfall vor circa zwei Jahren, bei dem Kinder ohne Aufsicht einen der Kindergärten verlassen hatten. Bei einem darauffolgenden Rechtsstreit zwischen Eltern und Kindergarten gab es vor allem Unstimmigkeiten über den genauen Betreuungszeitraum.
Auf einer Elternversammlung im Zion-Kindergarten zum Thema biometrisches Zugangssystem gab es laut Kitageschäftsführerin Janert kontroverse Reaktionen. "Einige Eltern waren strikt dagegen, andere haben ihren Fingerabdruck schon abgegeben." Während der Testphase soll die Teilnahme für die Eltern freiwillig sein. Gelegentliche Abholer können mit einer einfachen Vollmacht Kinder abholen. Wenn ein Elternteil das Einscannen vergisst, tragen die Erzieher das Kind nachträglich aus dem Gerät aus.
Die Lücken in der Sicherheit eines solchen Systems voll flexibler Ausnahmeregelungen sind Kathrin Janert bewusst - zumindest teilweise. "Am besten wäre es natürlich, über so eine Maschine die Türöffnung zu kontrollieren", sagt sie. Nicht bewusst seien ihr die rechtlichen Hintergründe gewesen und die Sensibilität von persönlichen Daten. Sie habe sich schlicht auf eine Erklärung der Firma verlassen, die das biometrische Zugangssystem verkauft hat. Jetzt will sie sich doch erst mal mit dem evangelischen Datenschutzbeauftragten treffen.
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