Berliner Kino : Verehrt, verfolgt, vergessen
Dr. Bessel zieht – wie so viele junge Männer auch – gerne in den Ersten Weltkrieg, schließlich gilt es, nicht nur die Ehre seines Vaterlandes zu verteidigen, sondern auch seine eigene: Seine Frau betrügt ihn nämlich und sein männlicher Stolz ist so groß, dass er ihr das nicht verzeihen kann. Also zieht er in den Krieg. Weil er in diesem jedoch keinen Heldentod findet, nimmt er die Identität eines gefallenen Franzosen an und beginnt ein neues Leben in Paris, wo er sich in die Verlobte des Gefallenen verliebt … Aus dem kruden Plot von „Dr. Bessels Verwandlung“ von 1927 lassen sich nicht nur männliche Befindlichkeiten in der Weimarer Republik herauslesen – der Stummfilm läuft innerhalb einer Filmreihe über vergessene Schauspieler der Zwanziger- und Dreißigerjahre, die – erst umjubelt und gefeiert – im Dritten Reich aufgrund ihrer politischen Ansichten oder ihrer Religionszugehörigkeit verfolgt wurden. Viele flohen, einige wurden umgebracht, wie Kurt Gerron aus „Dr. Bessels Verwandlung“, der im KZ Auschwitz starb. Der Regisseur Richard Oswald kam mit dem Leben davon, emigrierte in die USA, teilte jedoch das Schicksal vieler durch das NS-Regime verbotenen Künstler: Er geriet nach dem Krieg schlicht und einfach in Vergessenheit.