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Berliner Ganztagsschulen"Freiräume sind für Jugendliche wichtig"

Die Schulreform erfordert neue Kooperationen zwischen Schulen und freien Anbietern. Das ist eine Chance, die aber auch ihre Schattenseiten hat, sagt Tobias Döppe von der BUND-Jugend.

Interview von Alke Wierth

taz: Herr Döppe, die Zahl der Ganztagsschulen wächst und wird weiter wachsen. Welche Auswirkungen hat das auf Jugendverbände wie Ihren?

Tobias Döppe: Wir spüren die Auswirkungen in zweierlei Hinsicht. Zum einen merken wir, dass freizeitbezogene Angebote für Kinder und Jugendliche unter der Woche schlechter besucht werden. Angebote an Wochenenden oder in den Ferien laufen dagegen gut. Auch unsere eigenen Aktiven haben weniger Zeit für ehrenamtliche Tätigkeiten. Viele sind ja Schüler oder Studierende in Bachelorstudiengängen. Auf der anderen Seite geben uns nun manche Schulen die Möglichkeit, im Rahmen des Ganztagsbetriebs selbst Angebote zu machen. Das sind aber erst wenige.

Im Interview: 

Tobias Döppe, 33, ist Diplompolitologe und Jugendbildungsreferent

und Aktivenkoordinator bei der

BUND-Jugend.

Schulkooperationen

Die Schulstrukturreform fasst ab dem nächsten Schuljahr Haupt-, Real- und Gesamtschulen zur neuen Oberschulform Sekundarschule zusammen. Alle Sekundarschulen werden dann Ganztagsschulen sein. Pro Bezirk soll zudem ein Gymnasium zur Ganztagsschule werden.

Um den Ganztag mit einer Mischung aus Unterrichts- und Freizeitangeboten zu füllen, ermutigt Schulsenator Jürgen Zöllner (SPD) die Schulen zu Kooperationen mit externen Partnern wie Sportvereinen und Musikschulen, freien Trägern der Jugendarbeit und Jugendverbänden, etwa den Pfadfindern oder der BUND-Jugend. Im neuen Landeshaushalt werden für Kooperationen von Schulen mit Jugendverbänden und Jugendbildungsstätten erstmals 150.000 Euro bereitgestellt.

Nicht nur die Schulen betreten mit solcher Zusammenarbeit Neuland: Auch für die potenziellen Partner sind die Kooperationen Abenteuer. Während Schulen recht behäbige Bürokratiemonster mit enger Abhängigkeit von einer hierarchischen Verwaltungsstruktur sind, sind Jugendverbände und andere potenzielle Partner auf oft ehrenamtlichem Engagement basierende flexible Organismen. An wichtigen Fragen, etwa der rechtlichen Absicherung solcher Kooperationen, arbeitet die Senatsschulverwaltung noch.

Haben Sie als Jugendverband überhaupt Interesse an Kooperationen mit Schulen?

Das haben wir, weil wir ja möglichst viele junge Menschen ansprechen wollen - auch die, die nicht von allein zu uns kommen. Das können wir in den Schulen. Außerdem ist der Umbau des Schulsystems in Richtung Ganztagsschule eine gesellschaftliche Veränderung, der wir uns anpassen müssen.

Wie können solche Kooperationen aussehen?

Es gibt bereits welche: Wir machen etwa Projekttage an Schulen und behandeln dabei Themen wie Klimawandel und erneuerbare Energien, es gibt auch eine konsumkritische Stadtführung. Das sind alles eintägige Angebote. Kontinuierliche Kooperationen gibt es wenige: An einer Schule bieten wir einen wöchentlichen Kurs über erneuerbare Energien im Wahlpflichtbereich an. Das ist auch für uns noch schwierig: Wir arbeiten mit Ehrenamtlichen, meist StudentInnen, die nebenbei oft auch jobben müssen. Für unsere Arbeit an Schulen bekommen wir kein Geld.

Ist die Zusammenarbeit mit den Schulen leicht?

Das ist unterschiedlich. Unser Wahlpflichtfach bieten wir an einer Privatschule an - andere haben oft zu eingefahrene Strukturen. Uns ist ja als Jugendverband das selbstbestimmte Lernen wichtig, die Mitbestimmung der Schülerinnen und Schüler. An staatlichen Schulen ist es auch schwieriger, Kontakt herzustellen und zu halten. Entweder fehlt die Offenheit, oder es fehlen die Kapazitäten. Für die Schulen sind solche Kooperationen offenbar schwieriger als für uns.

Wie wird die Zukunft aussehen?

Wir würden unsere Arbeit an Schulen gerne ausdehnen, dabei aber lieber mit weniger Schulen intensiv als breit gestreut arbeiten. Es ist ja auch wichtig, ein Vertrauensverhältnis zwischen unseren Aktiven, Schülern und Kollegien herzustellen.

Fürchten Sie nicht, dass die Kooperation mit Schulen Ihrem Image schaden kann? In den Augen der Jugendlichen werden Sie von einer attraktiven Freizeitalternative zu einem Teil des Schulsystems.

Es stimmt: Jugendverbände stehen für selbst organisiertes Lernen, selbst umgesetzte Projekte, Eigenengagement. Das gibt es in den meisten Schulen bisher kaum. Auch in der Schulreform wird dieser Aspekt nicht explizit gewürdigt - wie wichtig Freiräume für SchülerInnen und Schüler sind. Dabei könnte man das durchaus in den Ganztagsschulen verankern: Etwa indem man ein Budget für Schülerprojekte einplant oder auf Landesebene Fördermöglichkeiten für beispielhafte Kooperationen bereitstellt. Freiräume fördern das Engagement von Jugendlichen und das Erlernen von sozialer Kompetenz. Wir sind neben der Bildungsarbeit ja auch ein politischer Jugendverband, der Menschen motivieren will, sich einzumischen in der Schule und außerhalb. Das kann sehr bereichernd für eine Schule sein - aber eben nicht immer das gemütlichste Angebot.

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